20.8.2021 - Jann Raveling

Beim Bewerbungsgespräch zur Inhaberin befördert

Starthaus Beratung
Jutta Gaeth und Tanja Nadolny stoßen mit einer Tasse Tee an
Verstehen sich blendend: Die ehemalige Besitzerin Jutta Gaeth und Tanja Nadolny © Teestübchen im Schnoor

Verwinkelte Etagen, knarrende Treppen, antike Möbel, urige Beleuchtung, frischer Tee und selbstgebackener Kuchen – das Teestübchen im Schnoor ist ein Kleinod in Bremens historischem Stadtteil, geliebt von Einheimischen wie Touristinnen und Touristen gleichermaßen.

Und Tanja Nadolny ist seit einem Monat Herrin über Teeservice, Kuchengabel und Kandiszucker. Sie stellt sich großen Erwartungen. Denn am besten soll alles so bleiben, wie es ist – da sind sich Bremen-Kennerinnen und -Kenner einig. Frühstück am Morgen, Kaffee, Tee und Kuchen am Nachmittag, ein kleiner Snack vor Ladenschluss am Abend.

Von Ruhe ganz weit weg

Dienstags ist Ruhetag – jedenfalls für die Gäste. Nadolny ist rund um die Uhr, jeden Tag in der Woche im Einsatz. Schließt um 8 Uhr als Erste auf und knipst um 18 Uhr als Letzte das Licht wieder aus. Die große Arbeitslast und noch größeren Erwartungen scheinen ihr aber nichts anzuhaben, denn die frisch gebackene Cafébesitzerin strahlt über beide Ohren.

„Ich kann hier ich sein – ich muss keine Rolle spielen, mich nicht verstellen. Es fühlt sich kaum wie Arbeit an, denn ich bin hier gern. Ich bin extrem glücklich, diesen Schritt gegangen zu sein“, sagt sie bei einem Treffen über einer Tasse Grüntee an ihrem einzigen „freien“ Tag in der Woche.

Unternehmensnachfolge in Bremen angetreten

Und meint damit ihre Unternehmensnachfolge, die nächste Generation im Teestübchen. Dass es dazu kam, verdankt sie dem Zufall – oder Schicksal, wenn man es so will. Die Hotelfachfrau tingelte jahrelang durch Europa, arbeitete in der angesagten Sansibar auf Sylt, auf dem Kreuzfahrtschiff MS Europa, zuletzt beim Traditionslokal „Grashoff“ in Bremen.

„Ich habe immer meinen eigenen Kopf gehabt, zu viele eigene Ideen, die man als Angestellte doch nicht realisieren kann. Ich wollte mich irgendwann einfach selbstständig machen“, blickt sie auf diese Zeit zurück. Der Entschluss stand fest. Einzig, es fehlte noch an der zündenden Idee.

Eine erste Chance tat sich Anfang 2020 auf, ein Café in Weyhe suchte eine neue Inhaberin. Doch dann kam die Coronakrise und die Übergabepläne der Café-Besitzer lösten sich in Luft auf. „Ich stand plötzlich mit nichts da. Einen neuen Job in der Gastronomie zu finden war ausgeschlossen, es war ja alles zu. Deshalb heuerte ich als Erntehelferin an“, erzählt die 35-Jährige.

Besser als nichts – aber auch nicht das Wahre. Ein halbes Jahr später saß sie deshalb Jutta Gaeth gegenüber, der damaligen Besitzerin des Teestübchens im Schnoor: „Ich wollte eigentlich nur einen Aushilfejob annehmen, den sie ausgeschrieben hatte“, erinnert sich Nadolny. Doch die beiden verstanden sich auf Anhieb blendend.

Das Schnoorviertel mit dem Teestübchen
Kleinod im Schnoor: Das Teestübchen fällt mit seiner Fachwerkarchitektur und dem spitzen Giebel auf © Teestübchen im Schnoor

Gaeth suchte schon seit zwei Jahren nach einer Nachfolgerin, Nadolny nach einer neuen Berufung, „a match made in heaven“, wie es so schön heißt.

Krise verzögert die Übergabe

„Wir wurden uns schnell einig. Ich habe zunächst als Angestellte gearbeitet, um den Laden kennenzulernen. Dann sind wir allmählich die Unternehmensnachfolge angegangen“, erklärt Nadolny.

Denn die Corona-Lockdowns lasteten auch auf dem Teestübchen. Nadolny wollte keinen Betrieb übernehmen, der nicht öffnen konnte, Banken wollten keine Finanzierung gewähren, solange die Zukunft in der Gastrobranche ungewiss war.

Starthaus begleitet bei der Unternehmensnachfolge

Besserung brachten erst die sinkenden Inzidenzen und die Unterstützung aus dem Starthaus. Schon ganz zu Beginn besuchte Nadolny Seminare im Starthaus-Programm. Als ihre Pläne dann konkreter wurden, stand sie regelmäßig in Kontakt mit ihrer persönlichen Starthelferin.

„Sie hat mir nicht nur wahnsinnig gute Tipps gegeben, sondern auch Mut zugesprochen. Ich konnte sie immer anrufen, das war unglaublich wertvoll. Ich gehe gern fünf Schritte auf einmal, da war es wichtig jemanden zu haben, der mich wieder zurückholt und mich einen Schritt nach dem anderen gehen lässt“, so die frischgebackene Herrin über vier Café-Etagen und 80 Sitzplätze.

Neben Unterstützung bei Business- und Finanzplänen nahm sie auch die Beratungsförderung der BAB – die Förderbank in Anspruch. Denn bei der Unternehmensnachfolge müssen Profis ran, wenn es um Verträge, Fristen und Pflichten geht, das merkte auch Nadolny schnell: „Das Starthaus hat mir da wirklich gute Expertinnen und Experten empfohlen.“

Das gemütliche und gleichzeitig geräumige Café von innen
Für Familien, Paare oder Feiern - viel Platz im Teestübchen © Teestübchen im Schnoor

Behutsame Neuerungen

Seit Juli 2021 ist sie nun Alleinbesitzerin des Kleinods im Schnoor. Bei aller Liebe zur Tradition hat sie an den einen oder anderen Stellen doch für Veränderungen gesorgt. „Ich habe das Haus grundlegend renoviert, Möbel aufgearbeitet, meinen Stil hereingebracht. Außerdem in Technik investiert, da fehlte es an allen Ecken und Enden“, schildert sie. Und auch das Angebot hat sie erweitert: Jeden Nachmittag lädt sie nun zur englischen „Tea Time“ mit selbstgemachten Scones, Clotted Cream, Marmelade und anderen Leckereien.

Als eine ihrer ersten Amtshandlungen kaufte sie zudem eine moderne Siebträger-Kaffeemaschine. Zwar heißt es offiziell „Tee“-Stübchen und der gute alte Ostfriesentee ist nach wie vor der Renner, einen ordentlichen Kaffee soll man hier trotzdem bekommen. Und dazu gehöre eine moderne Maschine eben dazu, findet Nadolny, die selbst ebenso gern Kaffee wie Tee trinkt.

In Kontakt mit anderen Cafés

Auf den ersten Monat in Eigenregie blickt Nadolny glücklich zurück. „Das gute Geschäft und das viele positive Feedback von unseren Gästen haben mich beruhigt. Und die tolle Zusammenarbeit mit den vier Angestellten, die ich übernommen habe“, ergänzt sie. Ohne letztere wäre der tägliche Ansturm kaum zu bewerkstelligen.

Ebenso wenig wie ohne die Hilfe von Freundinnen und Freunden und der Familie, die sie gerade zu Beginn stark unterstützten – und Zuspruch von anderen Cafébesitzerinnen und -besitzern, mit denen sie sich regelmäßig austauscht. Gerade für junge Selbstständige ist ein solches Netzwerk mehr als Gold wert.

Loslassen können – ein heikler Punkt in der Unternehmensnachfolge

Und wie findet die ehemalige Besitzerin die ganzen Neuerungen? Schließlich fällt es vielen schwer, loszulassen. „Wir verstehen uns gut, sie hat mir viel in der Übergangszeit geholfen und befürwortet viele meiner Entscheidungen. Natürlich mache ich manche Sachen anders und habe meinen eigenen Kopf – das gehört einfach dazu“, so die Hotelfachfrau.

Auch heute noch findet man die ehemalige Besitzerin Jutta Gaeth hin und wieder in einer Ecke des Stübchens, aber nicht um zu kontrollieren: Nach Jahrzehnten im Dienst am Gast ist sie nun an der Reihe, Tee, Kuchen oder ein Frühstück einfach mal zu genießen. Die Arbeit, die liegt nun in jungen und fähigen Händen – das weiß sie.

An einer Unternehmensübergabe oder -übernahme interessiert? Hier findet ihr alle Infos auf unserer Website. Schreibt uns auch gern eine Mail an info@starthaus-bremen.de oder ruft uns unter +49 (0)421 9600 372 an, wenn ihr Fragen hierzu habt. Wir haben die Antworten.

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