18.6.2025 - Fanny Lynn Quest

Vom Kohlenstoff zur KI – wie PLENO sein Geschäftsmodell neu erfand

Erfolgsgeschichten

Ein Bremer Deep-Tech-Startup zwischen Raumfahrt, Drohnen und mutiger Neuausrichtung

Nino Linderberg und Nura Linggih von Pleno
PLENO-Gründer von links nach rechts: Nino Lindenberg, Nura Linggih © Pleno

Nino Lindenberg und Nura Linggih wollten mit PLENO ursprünglich den globalen CO₂-Markt transparenter machen. Doch schnell wurde klar: Für ihr datenbasiertes Modell fehlte die nötige Akzeptanz. Also entschied sich das Team für einen mutigen Kurswechsel. Heute entwickelt PLENO autonome Systeme für UAVs (Unmanned Aerial Vehicles, also unbemannte Fluggeräte) und verbindet Künstliche Intelligenz mit Robotik. Die Vision ist geblieben: Mit Technologie echte Probleme lösen.

Die Geschichte von PLENO beginnt lange vor der eigentlichen Gründung. Nino Lindenberg und Nura Linggih waren gemeinsam in der Grundschule in Indonesien, verloren sich dann aus den Augen – und fanden sich Jahre später in Berlin wieder: Nino, inzwischen Software-Experte, und Nura, Masterstudent im Bereich unternehmerischer Nachhaltigkeit.

Was als Wochenendprojekt begann, wurde schnell ernst. Die Idee: mithilfe von Satellitenbildern, Geodaten und KI eine Plattform zu entwickeln, die CO₂-Kompensationsprojekte messbarer und transparenter macht.

„Wir wollten nicht einfach Berichte liefern – wir wollten die Werkzeuge liefern, damit auch Nicht-Expert:innen mit Geodaten arbeiten können“, so die Gründer rückblickend.

Das erste Geschäftsmodell: CO₂ messen, verstehen, handeln

PLENO startete 2023 mit einem klaren Ziel: die Qualität naturbasierter Klimaschutzprojekte besser bewerten zu können. Dazu entwickelten sie eine cloudbasierte Plattform mit eigenen Deep-Learning-Modellen, die historische Satellitendaten mit Umweltparametern wie Baumhöhe und Biomasse verknüpften.

Anstatt teure Berichte von externen Berater:innen zu kaufen, konnten Nutzer:innen über PLENO selbst analysieren, wie viel CO₂ ein bestimmtes Projektgebiet speichert – und das mithilfe intuitiver Visualisierungstools.

Das Geschäftsmodell: ein Software-Abo für Projektmanager:innen, die Carbon Credits verkaufen.

Die Idee dahinter: nicht den Fisch liefern, sondern die Angelrute – also die Tools, mit denen Organisationen selbst ihre Klimawirkung messen und nachweisen können. Besonders NGOs und kleinere Projektträger:innen sollten davon profitieren.

Doch dann: ein Markt ohne Regeln

Schnell zeigte sich jedoch, dass die Realität komplexer war: Der CO₂-Markt war kaum reguliert, intransparent – und oft eher auf hohe Zahlen als auf realistische Analysen ausgelegt.

„Unsere Software war sehr genau – manchmal zu genau“, erinnert sich Nino. „Das Ergebnis: niedrigere CO₂-Werte und weniger Credits. Für viele ein Problem, nicht ein Vorteil.“

Denn je höher die errechneten CO₂-Werte, desto mehr sogenannte Carbon Credits kann ein Projekt verkaufen – also Zertifikate, mit denen Unternehmen ihren eigenen CO₂-Ausstoß kompensieren. Genaue Berechnungen führten damit oft zu weniger Einnahmen für die Projektbetreiber – und waren im aktuellen Markt kaum gefragt.

PLENO merkte: Der Markt war noch nicht bereit für so viel Präzision – jedenfalls nicht im Sinne einer tragfähigen finanziellen Roadmap für ein junges Start-up. Trotz vielversprechender Technologie entschied sich das Team – mutig – für einen klaren Schnitt.

Mut zum Neuanfang

Nachdem ihr erstes Produkt von einem DLR-nahen Unternehmen (Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt) übernommen wurde, begann für PLENO eine intensive Reflexionsphase.

Drei Monate lang: zurück ans Whiteboard. Kein Umsatz, keine Lösung – nur eine große Frage: Welches Problem wollen wir als Nächstes lösen?

Dronensimulations-Training
Das autonome KI-Softwaresystem für Drohnen von Pleno. © Pleno

Heute: KI für autonome Flugobjekte

PLENO entwickelte sich weiter – von einer Analyseplattform zu einem Systemanbieter für unbemannte Fahrzeuge.

Heute entwickelt das Startup ein autonomes KI-Softwaresystem, das UAVs intelligenter und skalierbarer macht. Ziel ist es, dass ein:e Pilot:in in Zukunft nicht nur eine, sondern viele Drohnen gleichzeitig steuern kann – und das effizient, sicher und mit bis zu 75 % höherer Effektivität.

Die drei Kernprobleme, die Pleno adressiert:

  • Skalierbarkeit: Ein Mensch – viele Drohnen gleichzeitig
  • Kosten: Unternehmen sparen sich die teure Entwicklung und Pflege eigener Softwarelösungen
  • Effizienz: Bessere Missionserfolge durch autonome Navigation

Der Fokus liegt auf sicherheitskritischen Bereichen wie Logistik, Katastrophenschutz oder medizinischer Versorgung.

Was geblieben ist: Tech mit Tiefe und Anspruch

Auch wenn sich das Produkt geändert hat – PLENOs Tech-Kern blieb gleich.

Die KI-Methoden zur Satellitendatenverarbeitung nutzt das Team nun, um UAVs zu befähigen, ohne GPS oder Funkverbindung autonom zu navigieren.

Die Vision: Deep Tech als Mittel zur Lösung realer Probleme. Ob in der Umweltanalyse oder im Luftverkehr. Ein Vorteil, der vor allem dort zählt, wo Verbindungen ausfallen – zum Beispiel in Krisengebieten, schwer zugänglichen Regionen oder sicherheitsrelevanten Einsätzen. Ein Thema, das in Zukunft immer wichtiger wird – gerade weil geopolitische Spannungen, Naturkatastrophen und der wachsende Bedarf an autonomen Lösungen den Handlungsdruck erhöhen. Hier braucht es Startups, die schnell, flexibel und technologiegetrieben auf neue Herausforderungen reagieren können.

Der Aerospace Standort Bremen als Startrampe für die Zukunft

Ein starker Ankerpunkt ist für PLENO: Bremen. Mit der Unterstützung durch das ESA BIC Northern Germany, AVIASPACE Bremen und das Starthaus Bremen & Bremerhaven hat das Team nicht nur Zugang zu Netzwerken und Events bekommen – sondern vor allem zu echten Sparringspartner:innen.

„Wir werden begleitet, erhalten kritisches Feedback, Zugang zu Fachexpertise, Meilensteinfinanzierung – und ein Büro im DHI Bremen“, erzählt Nino Lindenberg. Seit Anfang 2024 ist PLENO Teil des Raumfahrt-Inkubatorprogramms ESA BIC Northern Germany – für insgesamt 24 Monate. Eine Phase, in der Startups gezielt unterstützt werden, um ihre Technologien weiterzuentwickeln und marktreif zu machen.

Gerade in der Übergangsphase war diese Unterstützung Gold wert: Mitten im Wandel konnte sich PLENO neu aufstellen, strukturieren – und wachsen.

Drei Learnings aus dem Pivot

  1. Verlieb dich nicht in die Lösung, sondern ins Problem.
  2. Sprich mit echten Nutzer:innen – nicht nur mit deinem Spiegelbild.
  3. Plane klug, aber sei bereit, alles wieder über den Haufen zu werfen.

Schon gewusst? Ein Pivot – das bedeutet im Startup-Jargon eine grundlegende Kursänderung des Geschäftsmodells. Kein Scheitern, sondern ein mutiger Neustart.

Zukunft: Software in die Welt –  Drohnen in die Luft

Für die kommenden Monate hat PLENO ein klares Ziel: Pilotprojekte, Produktreife, Partnerschaften.

Dabei geht es nicht um schnelle Trends, sondern um nachhaltige Wirkung. Denn das Team glaubt daran, dass KI und Robotik in der echten Welt gebraucht werden – nicht nur im Labor.

„Wir wollen nicht nur eine neue Technologie bauen – sondern eine, die gebraucht wird. Jeden Tag.“

Am Raumfahrtinkubator ESA BIC Northern Germany oder generell an einer Gründung interessiert? Schreibt uns gern eine Mail an info@starthaus-bremen.de oder ruft uns unter +49 (0)421 9600 365 an.

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