7.10.2025 - Annekathrin Gut

Vom Wegwerfpulli zur Strickmode nach Bedarf

Erfolgsgeschichten

Bremer Digital-Startup ito ito entwickelt Softwareplattform gegen Überproduktion

Florian und Friederike Pfeffer von ito ito
Friederike und Florian Pfeffer – die Gründer:innen von ito ito. © ito ito

Weltweit wird laut Greenpeace jede Sekunde eine Lkw-Ladung an Kleidung vernichtet – ein Drittel davon wurde niemals verkauft oder getragen. Das Bremer Startup ito ito von Friederike und Florian Pfeffer will dieser Verschwendung mit digitaler, bedarfsgesteuerter Strickproduktion „Made in Europe“ begegnen.

Warum die Modebranche zu viel produziert

Die Modeindustrie steht vor einem strukturellen Problem: Herkömmliche Produktionsprozesse sind auf große Chargen ausgelegt. „Man kann nicht für einen Pulli eine Strickmaschine einstellen“, erklärt Friederike Pfeffer. „Deswegen fangen die Mindestbestellmengen üblicherweise bei hundert Stück an." 
Die Folge: Modelabels lassen weit im Voraus große Mengen herstellen, ohne dass sicher ist, ob diese jemals verkauft werden. Also werden viele Kleidungsstücke schließlich billig abgestoßen oder vernichtet.

Shared Factory: Das Problem der Überproduktion lösen

Das Bremer Unternehmerpaar will dieses Problem mit einer Softwareplattform nach dem „Shared Factory“-Prinzip lösen: Ihr System bündelt verschiedene kleinere Aufträge in einem Produktionsgang und verbindet diese automatisch mit freien Produktionskapazitäten. So werden kleine Kollektionen bis hin zu Einzelstücken möglich. Bei steigender Nachfrage kann schnell und bedarfsgerecht nachproduziert werden. 

Designer:innen und Modelabels können ihre Entwürfe direkt in der Plattform umsetzen und auf eine Strickmaschine im Netzwerk laden. Für Hersteller:innen steht eine eigene Factory-Umgebung zur Verfügung. Strickereien können dort ihre Maschinen anmelden und erhalten in Echtzeit die passenden Produktionsdaten.

Die Technologie dahinter ist komplex. Zum Team von ito ito gehören deshalb neben den beiden Gründer:innen inzwischen vier Softwareentwickler und eine hochspezialisierte Strickprogrammiererin. Denn jede Strickmaschine muss präzise programmiert werden – von der Dichte und Feuchtigkeit des Garns bis zur Einstellung der Nadeln.

Woher kommt der Name ito ito?

Auf Japanisch heißt Faden „ito“. Das Designerpaar Friederike und Florian Pfeffer bringt also mit ito ito die zwei Enden des Fadens zusammen: Design und Produktion. Seit 2024 läuft ihre Softwarelösung für die Strickproduktion in der Beta-Phase. In diesem Herbst soll die Vollversion starten.

Europa als nachhaltiger Produktionsstandort

ito ito setzt konsequent auf nachhaltige Materialien: Merinowolle mit RWS-Zertifikat und Baumwolle nach GOTS-Standard. Produziert wird ausschließlich in europäischen Strickereien. „On-Demand-Produktion braucht kurze Wege. Es ist weder schnell noch wirtschaftlich, kleine Produktionsmengen von Asien nach Deutschland zu schicken“, betont Friederike Pfeffer. 

Die Gründerin ist überzeugt, dass digitale Produktionsabläufe die Modeproduktion zurück nach Europa bringen können. Zwar seien hierzulande viele Produktionsbetriebe abgebaut worden, doch das Potenzial sei groß: „Unser Ziel ist es, dass zehntausende Strickmaschinen in Europa für uns arbeiten."

Diese Vision erfordert allerdings auch ein Umdenken bei den Verbraucherinnen und Verbrauchern. Nachhaltige Mode aus der Shared Factory gibt es nicht zum Billigpreis internationaler Modeketten.

Großer Markt für flexible Produktion

Seit 2024 läuft die ito ito-Software in der Beta-Phase und wird von ersten Modelabels und Produzierenden getestet. Die Vollversion soll im Herbst an den Start gehen. Friederike Pfeffer freut sich über die positive Resonanz: „Wir haben schon viele coole Produkte mit sehr anspruchsvollen Brands umgesetzt.“

Ihre Zielgruppe sind kleine bis mittelgroße Modeunternehmen. Ein großer Markt, meint die Unternehmerin: „Die Modebranche steht stark unter Druck. Wir brauchen dringend eine Lösung, wie flexibler produziert werden kann.“

Auf die Anwendung aus Bremen werden Modelabels über die gezielte Suche nach Produktionsbetrieben aufmerksam. Außerdem ist ito ito beim Fashion Council Germany gelistet und hat gemeinsam mit dem VORN – Fashion Hub in Berlin eine eigene Microfactory mit drei Strickmaschinen eröffnet.

Vom Design zur digitalen Strickproduktion

Bei ito ito ist Friederike Pfeffer für die Produktentwicklung und die Kommunikation mit Marken und Strickereien verantwortlich. Ihr Mann kümmert sich um die Plattformentwicklung und das IT-Team. Beide sind international gefragte Kommunikationsdesigner:innen und arbeiten seit mehr als 20 Jahren in Amsterdam und Bremen. Gemeinsam gründeten sie unter anderem die Agentur one/one. 

Wie kommt man von da aus zum Strick? Als Gestalterin fasziniert Friederike Pfeffer, dass sich mit nur wenigen Grundprinzipien einer Masche eine Vielzahl unterschiedlicher Texturen erstellen lassen. Wie beim 3D-Druck benötige man lediglich das Material und könne die unterschiedlichsten Formen und Strukturen erzeugen.

Neustart im Accelerator-Programm

Erfahrung mit Strick sammelte das Unternehmerpaar bereits mit ihrem vor gut neun Jahren gestarteten Projekt woollaa.com. Auf der Website konnten Kundinnen und Kunden Schals, Babydecken oder Kissenbezüge als individuelle Einzelstücke selbst konfigurieren und herstellen lassen. „Wir haben allerdings unterschätzt, wie groß der Marketingaufwand für die erfolgreiche Etablierung eines Online-Shops ist“, sagt Friederike Pfeffer.

Während der Corona-Jahre entschlossen sich daher beide, ihr Geschäftsmodell im Accelerator-Programm „Open Innovation Cycle“ des Starthaus Bremen für den B2B-Bereich umzubauen. „Anstatt zu versuchen, einen eigenen Online-Kanal zu etablieren, nehmen wir unsere Technologie und machen sie für Modebrands zugänglich, die ihrerseits bereits ihre eigenen Online-Kanäle haben. Wir liefern das Betriebssystem für eine digitale Modeproduktion.“

Förderung durch die BAB ermöglicht Wachstum

Im letzten Jahr bekam ito ito die Startup Förderung „Bre-Up“: Dank dieser projektbasierten Förderung konnte der „Meta Creator“ entwickelt werden. Mit diesem Tool lassen sich verschiedene Strickelemente wie Texturen, Festigkeit oder Muster einfach per Mausklick zu neuen Designs kombinieren.

Um den Markteintritt ihres Digital-Startup umzusetzen, erhielten Friederike und Floria Pfeffer 2025 Beteiligungskapital über die BAB Beteiligungs- und Managementgesellschaft Bremen mbH, eine 100-prozentige Tochter der BAB - Die Förderbank für Bremen und Bremerhaven aus dem RegioInnoGrowth Fonds Bremen (RIG). 

Einzigartige Lösung und zukunftsgerichtete Pläne

Die Idee von ito ito ist ebenso einfach wie überzeugend. Dennoch gibt es bislang keine vergleichbare Lösung. In der industriellen Strickproduktion für Möbel, Akustikelemente oder Autositze existieren zwar digitalisierte und automatisierte Lösungen. Aber, so Friederike Pfeffer: „Den Prozess vom Design zum fertigen Produkt, den können nur wir."

Das liegt möglicherweise daran, dass die Produktionsweise Strick unterschätzt wird. Dabei lasse sich das Prinzip auf die gesamte Textilbranche übertragen, meint Friederike Pfeffer. Sie hat bereits Anfragen aus verschiedenen Bereichen erhalten und kann sich vom Anzug bis zu technischen Textilien viele Einsatzmöglichkeiten vorstellen. 

Auch für ito ito haben Friederike und Florian Pfeffer zukunftsweisende Ideen: Ihr „nächstes große Ding“ soll eine automatisierte Schuhproduktion werden. Damit sollen sich individuell an den Fuß angepasste Schuhe designen und produzieren lassen. Ein Pilotprojekt ist bereits gestartet. Damit zeigen Friederike und Florian Pfeffer einmal mehr, wie Digitalisierung und Nachhaltigkeit der Modeproduktion neuen Schwung verleihen können.

Welche Fördermöglichkeiten bietet die BAB?

BAB Beteiligungs- und Managementgesellschaft Bremen mbH (BBM)

Aus der 100-prozentigen Tochtergesellschaft „BAB Beteiligungs- und Managementgesellschaft Bremen mbH“ (BBM) unterstützt die BAB innovative wachstumsorientierte Unternehmen durch offene und stille Beteiligungen. Hierzu stehen unter anderem Mittel aus dem RegioInnoGrowth Fonds (RIG) zur Verfügung, der im Land Bremen Ende 2024 an den Start gegangen ist. 

Im Vordergrund des RIG stehen Startups, die insbesondere ökologische, digitale oder soziale Innovationen verfolgen, sowie mittelständische Unternehmen auf Innovations- und Wachstumskurs. Der Fonds unterstützt mit dieser Zielgruppe auch das Wachstum und die Wirkung von sozialen Innovationen im Zuge der „Nationalen Strategie zur Förderung von Sozialen Innovationen und Gemeinwohlorientierte Unternehmen“. Die auszugebenden Mittel werden vom Bund und dem Land Bremen zur Verfügung gestellt.

„BRE-Up“ Startup-Förderung

Seit 2023 können hoch innovative Tech-Startups mit Sitz im Land Bremen Förderung aus dem „BRE-Up“-Programm erhalten. Dieses zielt auf Gründungen, die ihre Prototypen weiterentwickeln und zur Marktreife bringen möchten. Denn oftmals fehlen gerade in dieser Phase die finanziellen Mittel. Die „BRE-Up“-Förderung schließt diese Finanzierungslücke. Dieses Förderangebot des Starthaus Bremen & Bremerhaven wird durch Mittel des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) kofinanziert.

Startups, die sich für die „BRE-Up“-Förderung interessieren, müssen jünger als fünf Jahre sein. Außerdem soll das Vorhaben des Unternehmens auf die Schlüsselbranchen und -technologien oder innovativen Branchen aus der Innovationsstrategie 2023 des Landes Bremen einzahlen.

Wollt ihr ein Unternehmen gründen, euer Business sicher starten oder weiter wachsen? Dann schreibt uns gern eine Nachricht über unser Kontaktformular, wenn ihr Fragen zu eurer Gründung(sidee) habt. Wir haben die Antworten.

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