Wie ein Bremer Startup Raumfahrtmissionen für Unternehmen möglich macht
ESA BIC Northern Germany
Satelliten mit empfindlichen Messgeräten und Instrumenten ausgestattet in eine Erdumlaufbahn zu bringen, kostet viel Geld und viel Zeit. Das Bremer Startup Astrait hat ein Hardware-Konzept entwickelt, mit dem sich die Entwicklung und der Transport ins All jedoch so weit standardisieren lassen, dass sich sogar mittelständische Unternehmen in Zukunft solche Missionen leisten könnten. Mithilfe eines Online-Konfigurators sollen Kundinnen und Kunden ihren Satelliten zudem individuell und schnell ausrüsten können.
Der Mikro-Satellit für jeden Bedarf
Astrait-Gründer und Raumfahrtingenieur Lars Kesseler hat eine klare Vision: Er möchte den Prozess der Raumfahrtmissionen vereinfachen. Anstatt für jedes einzelne Projekt einen maßgeschneiderten Satelliten zu entwerfen und zu bauen, haben Kesseler und sein Team in den vergangenen zwei Jahren, seit der Gründung des Uni-Startups in Aachen, ein Universalmodell entwickelt. Dieser vielseitige Satellit wäre in der Lage, eine Vielzahl von Frachten – von Teleskopen und Kommunikationsgeräten bis hin zu Greifarmen, Messinstrumenten und wissenschaftlichen Experimenten – sicher und effizient ins All zu befördern. „Gebaut ist er noch nicht. Aber die Pläne sind fertig“, erzählt der 32-Jährige.
Die Idee von Astrait lässt sich gut mit dem Automarkt vergleichen: „Ein Volkswagen etwa ist in unterschiedlichen Ausführungen erhältlich – von der günstigen Serien- bis zur hochwertigen Premiumausstattung. Das Chassis und viele technische Funktionen, vom Licht über die Bremsen bis zur Lenkung, sind jedoch meist identisch“, veranschaulicht der Gründer. Astrait habe nun einen Mikro-Satelliten entwickelt, der standardisiert ist wie ein Volkswagen und gleichzeitig ganz nach Kundenwunsch mit Zubehör und Fracht bestückt werden kann. „Das klingt erstmal unspektakulär“, räumt Kesseler ein. Doch der Bau und der Einsatz dieses Standards wäre eine Revolution in der Raumfahrtindustrie. Denn diese baue bisher meist Lamborghinis statt Volkswagen, welche zudem jedes Mal von Grund auf neu entwickelt würden. „Man muss das Rad nicht für jede Mission neu erfinden. Mit unserem standardisierten Mikro-Satelliten können Unternehmen kostbare Entwicklungszeit und viel Geld sparen“, unterstreicht er.
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Mit Konfigurator zum Wunsch-Satelliten
Doch auch mit standardisierter Hardware sind die Hürden für Unternehmen, die ins All möchten, laut Kesseler, immer noch hoch. „Sie werden in den gesamten zeitaufwendigen Entwicklungsprozess eingebunden und müssen eine Menge Know-how mitbringen“, erklärt er. Der Raumfahrtingenieur kritisiert, dass Kundinnen und Kunden noch über zu viele Details entscheiden müssten, anstatt einfach ein funktionales Produkt zu erhalten. „Stellen Sie sich vor, Sie sollten vor dem Autokauf jede einzelne Schraube auswählen und zudem vorab noch eine Ausbildung zum Kfz-Mechatroniker machen“, veranschaulicht er den Aufwand.
Die Lösung von Astrait für dieses Dilemma ist ein Online-Konfigurator, der zukünftige Satellitenkundinnen und -Kunden Schritt für Schritt durch einen Prozess führt, an dessen Ende ein individuell ausgestatteter Mini-Satellit steht – inklusive Kosten und möglichen Zulieferern. „Auf diese Weise sparen beiden Seiten ¬– Auftraggebende und Raumfahrtindustrie – einen kosten- und zeitaufwendigen Austausch. „Ganz ähnlich wie beim Online-Autokauf, lässt sich mit unserem Satelliten-Konfigurator nach eigenen Wünschen ein Satellit individuell ausrüsten“, erläutert Kesseler.
Sowohl die Pläne für den Astrait-Satelliten als auch die Software für den Konfigurator sind laut Kesseler bereits weit fortgeschritten. „Unser nächster Schritt ist nun, unsere Lösungen am Markt anzubieten.“
Dabei werde er in Bremen auf vielfältige Weise unterstützt, nicht zuletzt mit dem Investor Readiness-Programm des Starthauses Bremen & Bremerhaven. „Als Ingenieur hatte ich mit Marketing und kaufmännischen Angelegenheiten bis zur Gründung einfach wenig Berührung“, zeigt sich der Gründer dankbar für die Unterstützung.

City of Space: Bremen
Ursprünglich 2021 als Startup an der Fachhochschule Aachen mit weiteren Studierenden gegründet, führten Lars Kesseler die Geschäfte von Astrait (früher Levity Space) nach Bremen. Für seinen Umzug von Aachen nach Bremen gab es viele gute Gründe. „Bremen als ‚City of Space‘, bietet New Space Unternehmen wie Astrait einfach die spannenderen Möglichkeiten“, erklärt Kesseler.
In der Hansestadt fand Astrait etwa mit dem ESA Business Incubation Center (BIC) ein wertvolles Netzwerk, das den Zugang zu einer Fülle von Raumfahrtressourcen und -kontakten ermöglichte. „Mit dem Sitz von Raumfahrtgiganten wie Airbus und OHB sowie den zahlreichen kooperierenden Institutionen, ist Bremen zudem ein idealer Standort für ein aufstrebendes Raumfahrtunternehmen“, sagt Kesseler. Und so habe er hier bereits viele wertvolle Kontakte knüpfen können und vom persönlichen Austausch mit führenden Köpfen der Industrie profitiert. In diesem unterstützenden Umfeld sieht der Space-Entrepreneur beste Voraussetzungen, um sich mit Astrait in der New Space Branche weiter zu etablieren
Erfolgsgeschichten
Die Raumfahrtbranche ist immer noch eine stark männlich geprägte Domäne. Trotz zahlreicher Initiativen liegt der Frauenanteil in der Branche in Europa im Schnitt bei 20%, in Führungspositionen sogar nur bei 12%. Das ist deutlich zu wenig, auch im internationalen Vergleich, da sind sich Henriette Struckmann, Dr. Katharina Ostaszewski (beide PhySens GmbH), sowie Dr. Gopika Suresh (Marble Imaging GmbH) einig und gründeten ihre eigenen Startups in Bremen.
Zum ArtikelMaßgeschneiderte Unterstützung, um die eigene Idee erfolgreich auf den Markt – oder in den Weltraum – zu bringen? Das geht in Bremen mit dem Inkubationsprogramm ESA BIC Northern Germany. Bewerben können sich hierfür Startups aus ganz unterschiedlichen Branchen. Für wen genau der Inkubator geeignet ist und was dahintersteckt, erklärt Inge Heydt aus dem Starthaus.
Zum InterviewSchlagzeilen zu den schnellen und großen Erfolgen von Startups lesen wir oft in den Medien. Doch viele von ihnen müssen ihr Unternehmen wieder aufgeben – manche bevor sie groß werden, andere im Laufe der ersten Jahre. Wir stellen die häufigsten Gründe für das Scheitern von Startups vor und zeigen Lösungsansätze auf.
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