20.10.2021 - Jann Raveling

Hier entsteht Bremens größtes Kreativ- und Innovationszentrum

Netzwerk
Marc Fucke und Hachem Gharbi auf der Rasenfläche vor der Prof.-Hess-Kinderklinik © Starthaus/Raveling

Ein Kreativ- und Innovationszentrum, wie es Bremen noch nicht gesehen hat: Innerhalb weniger Tage ist aus einer leer stehenden Kinderklinik der „Creative Hub“ geworden. Mehrere hundert Projekte finden hier eine mietfreie Bleibe und eine lebendige Community.

Anthony Kreher liebt seine handgebauten Gitarren fast so sehr wie seine Freundin. Vor einem Jahr ist der junge Amerikaner aus Buffalo im US-Bundesstaat New York der Liebe wegen nach Bremen gezogen. „Es ist ein toller Ort. Nur die Chicken Wings, die sind hier in Bremen terrible“, sagt er mit einem Lachen. Kein Wunder, sind doch die Buffalo Wings weltberühmt und quasi ein Heiligtum seiner Heimatstadt.

Anthony Kreher im Creative Hub
Hat sich seine neue Gitarren-Werkstatt bereits eingerichtet: Anthony Kreher © Starthaus/Raveling

Gitarren bauen, das will er aber weiterhin. Seine Akustikgitarren konstruiert er neuerdings im Creative Hub im ehemaligen Gebäude der Prof.-Hess-Kinderklinik. Hier er sich seine kleine Werkstatt eingerichtet. Und hier kann er mietfrei an seiner Selbstständigkeit arbeiten – ein ideales Arrangement für den ambitionierten Instrumentenbauer, um risikolos den Fuß in die Tür zu kriegen.

Ein ehemaliges Krankenhaus wandelt sich

Kreher ist einer von rund 500 Menschen, die künftig in dem riesigen Backsteinbau ein neues Zuhause für ihre Ideen, Projekte und Wünschen finden. Die ehemalige Kinderklinik stammt noch aus den 30er Jahren und steht seit Anfang 2021 leer. 8.000 Quadratmeter, verteilt auf drei Stockwerken, verbunden durch unzählige Räume, Türen, Flure.

An jeder Ecke lässt sich noch der ehemalige Zweck erahnen. Schilder warnen vor Röntgenstrahlung, Kabel und Ventile für medizinische Geräte hängen hier und dort aus der Wand, Wartebereiche und Lastenaufzüge versprühen Krankenhausatmosphäre. Aufgebrochen wird diese von bunten Wandgemälden, Fotos und Kunstgegenständen, die noch ein wenig verlassen wirken.

Das wird sich aber in Kürze ändern. „Der Ort wandelt sich rasant, sobald alle eingezogen sind“, verspricht Hachem Gharbi, einer der Gründer des gemeinnützigen Unternehmens visionskultur und Initiator des Creative Hub Bremen.

Ein Umbau im Eiltempo

Gharbi, Mitgründer Marc Fucke und das 17-köpfige Team haben in den vergangenen zwei Monaten bereits ein kleines Wunder vollbracht. Zwar stand die Klinik leer, aber „leer“ war sie nicht wirklich. „Wir mussten viel Inventar aus den Zimmern ausräumen. Eine irre Arbeit – allein Schlösser für die über 500 Türen einzubauen“, erzählt er. Man glaubt ihm sofort, wenn er von 18-Stunden-Tagen erzählt.

Aber warum der immense Aufwand und der hohe Zeitdruck? Weil die Zeit drängt. Ein Jahr ist der Creative Hub in der ehemaligen Kinderklinik untergebracht, danach sollen im Gebäude Wohnungen entstehen. Eine Zwischennutzung vor dem Umbau durch das städtische Wohnungsbauunternehmen Gewoba. Daher drängt die Zeit.

Gharbi und Fucke machen das nicht zum ersten Mal. Im vergangenen Jahr probierten sie ihre Idee für den Creative Hub zum ersten Mal mit der Zwischennutzung des Bundeswehrhochhauses in der Bremer City aus. Damals noch auf 2.000 Quadratmetern – eine Fläche, die sich jetzt vervierfacht hat.

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Aber was ist überhaupt ein Creative Hub? „Wir wollen ein Kreativ- und Innovationszentrum schaffen, wo Projekte risikoarm und niedrigschwellig Unterstützung erhalten und einen Platz finden. Das fehlt Bremen bisher“, ist Mitgründer Fucke überzeugt. Sie wollen hier eine lebendige „Szene“ schaffen – eine Atmosphäre und einen Ort, der junge Menschen anzieht. Der es ermöglicht, gemeinsam an Ideen zu arbeiten, der spontanen Austausch fördert, der zum Spinnen, Experimentieren einlädt, ganz ohne Zwänge oder hohen Finanzbedarf.

Handwerk, Kunst, Technologie, Sport, Musik oder Manufakturen finden hier gleichermaßen einen Platz. Im Vordergrund steht dabei der Communitygedanke. Projekte und Menschen sollen sich nicht nur austauschen, sie müssen es: Viele Räume werden mehrfach belegt, sodass sich Projekte wie in einer Bürogemeinschaft den Platz teilen müssen. Außerdem müssen alle Mitglieder der Gemeinschaft etwas zurückgeben, der Gitarrenbauer könnte einen Holzworkshop geben, die Künstlerin eine Malstunde, die Programmiererin Hilfe bei der Webseite.

Ein Netzwerk entsteht

Zudem entstehen große Gemeinschaftsflächen im Haus: Coworking-, Seminar- und Probenräume, Werkstätten sowie eine kleine Bühne, eine Galerie und ein Café. „Alle Projekte sind Teil unserer Creative-Hub-Community, die wir mit unserem Wissen fördern“, erzählt Gharbi bei einem Rundgang. Denn mit seinem Unternehmen will er weit mehr als nur mietfreie Räume auf Zeit zu vergeben. Das Team berät und unterstützt angehende Gründerinnen und Gründer, hilft bei Fragen und gibt Coachings, organisiert Veranstaltungen und Seminare.

Ebenso wichtig wie eine funktionierende Community innerhalb des ehemaligen Krankenhauses ist aber auch die Verbindung in die Stadt hinein: Gharbi und Fucke arbeiten eng mit den Universitäten und Bildungsinstitutionen zusammen oder auch mit dem Starthaus Bremen, wenn es darum geht, angehende Gründer:innen zu unterstützen.

Riesiger Andrang zeigt: Bremen braucht kreative Räume

Ein Konzept, das aufgeht: Nach einer zweiwöchigen Bewerbungsphase meldeten sich im September über 350 Projekte, von denen das Team innerhalb kürzester Zeit rund 170 auswählte. Darunter Gründungsvorhaben gleichermaßen wie Kunstprojekte, Vereine, Bands, Handwerker wie Anthony Kreher oder Digitalunternehmen. „Wir haben sogar Bewerbungen aus Zürich oder Kopenhagen erhalten – die nur wegen uns nach Bremen kommen“, erzählt Fucke stolz.

Um die große Vielzahl an unterschiedlichen Projekten und Personen in sinnvolle Bahnen zu lenken, hat das Team sieben Cluster gebildet und die Projekte darunter sortiert. Jedes Cluster erhält eine eigene Darstellung und eigene Veranstaltungen, ganz auf seine Bedürfnisse zugeschnitten. „Wir können so herausfinden, was die Bedarfe in den jeweiligen Branchen sind und diese besser angehen“, erklärt Fucke bei einem Gang über den großen Rasen im Innenhof der Klinik. Auf der ausladenden Grasfläche kann er sich hier im kommenden Sommer Urban-Gardening-Projekte oder eine Außengastronomie vorstellen.

Alles ist im Fluss

Ein einmaliges Projekt, nicht nur für die Hansestadt, sondern auch überregional. „Andere Städte haben auch ihr Interesse bekundet – aber wir fokussieren uns ganz auf Bremen, wollen etwas für diese Stadt schaffen“, so die beiden überzeugten Nordlichter. Über eine Projektförderung unterstützt die  Senatorin für Wirtschaft, Arbeit und Europa das Projekt, zudem treten das Wohnungsbauunternehmen Gewoba und die europäischen EFRE- und ESF-Fonds als Förderer auf.

Der Hub von oben: Viel Platz für Kreative © GEWOBA

Den Creative Hub verstehen sie dabei als eine Art Geburtshelfer. Denn wer hier einzieht, soll keine dauerhafte Bleibe erhalten. „Wir wollen Projekte und junge Gründungen nachhaltig und langfristig ins Wirtschaften bringen. Im Creative Hub übernehmen wir einen Teil des Risikos, in dem wir einen mietfreien Raum bieten – aber allein schon durch die Zwischennutzung ist der Aufenthalt hier begrenzt“, so Gharbi.

Auch ohne Zwischennutzung würden die beiden Gründer an diesem Prozess festhalten – allein schon, um Bewegung in der Community anzuregen, ständig neue Projekte, Menschen und Ideen zusammenzubringen.

Teil der Community werden

Auch wenn die Bewerbungsphase für einen Raum im Hub vorbei ist, gibt es noch Möglichkeiten für Projekte, Teil des Creative Hubs zu werden. Denn temporäre Arbeitsplätze, Workshopräume, Werkstätten und Ateliers stehen auch danach noch interessierten und engagierten Projekten offen. Alle Infos dazu finden sich auf: www.visionskultur.de

An einer Gründung interessiert? Schreibt uns gern eine Mail an info@starthaus-bremen.de oder ruft uns unter +49 (0)421 9600 372 an, wenn ihr Fragen zu eurer Gründung(sidee) habt. Wir haben die Antworten.

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