Mit Gefühl: Wie eine Bremerin ein beliebtes Spielzeug neu erfand
Starthaus Women
Julia-Judith Bayer entwickelt und vertreibt in Bremen gefertigte Spielsachen. Drei Generationen von Frauen haben dabei ihre Hände im Spiel.
Alma ist die Jüngste im Bunde. Ihr Spezialgebiet: Produkttests. Sie sitzt am Boden und betrachtet nachdenklich einen Stapel aus bunten Stoffsäckchen. Irgendetwas fehlt. Sie greift in die Spielzeugkiste und zieht ein weiteres Säckchen heraus. Es knistert, als sie es berührt. Vorsichtig packt sie das Knister-Säckchen ganz oben auf die Spitze – und fertig ist der Turm! Das blonde Mädchen lacht zufrieden
Wer hat’s erfunden?
Julia-Judith Bayer sitzt am Esstisch ihrer Schwachhauser Wohnung und sieht lächelnd zu, wie ihre fast zweijährige Tochter den Stapel „schwupp“ wieder umschmeißt. Die Stoffsäckchen, mit denen Alma spielt, hat Bayer selbst entwickelt. Seit Ende 2019 verkauft sie die handgemachten Produkte unter dem Markennamen haptix. „Alma ist nicht nur unsere Produkttesterin, sie ist auch der Grund, warum ich nun Spielzeuge für Kinder herstelle“, so die Wahlbremerin.
Spiel nach Regeln
Eines Abends experimentierten Bayer und ihr Mann mit selbstgemachtem Spielzeug. Sie nähten Stoffsäckchen und füllten diese mit Linsen, Reis und Bohnen. „Als wir Alma die Säckchen am nächsten Tag zum Spielen gaben, war sie total begeistert“, erzählt Bayer lachend. Als immer mehr Freunde und Bekannte sie dann ermunterten, das mit den handgemachten Fühlsäckchen ernsthaft anzugehen, entstand die Produktidee für haptix. Weil Spielzeuge besonders strengen Vorgaben unterliegen, musste sich Bayer zunächst sechs Monate lang durch einen Dschungel an Vorschriften kämpfen. Dazu gehört unter anderem die Europäische Spielzeugnorm EN 71, die aus 14 Teilen plus Zusätzen besteht. Allein der erste Teil umfasst 200 Seiten Normtext. Erst als alle Voraussetzungen erfüllt waren, das Design mehrfach überarbeitet worden war, konnte Bayer die Fühlsäckchen auf den Markt bringen.

Regional und bio
Die gebürtige Österreicherin hat ein Spielzeug, das viele aus ihrer Kindheit kennen, neu interpretiert. Oder wie sie es ausdrückt: „fesch gemacht“. Die bunt gemusterten Fühlsäckchen bestehen aus Biobaumwolle – in Deutschland gewebt und bedruckt. Gefüllt sind sie mit Knisterfolie, aber auch mit Holzstiften, Bohnen oder Kirschkernen („Die kann man als Handwärmer benutzen“), Berglinsen, Schurwolle oder Alpen-Zirbenflocken („Damit die Kinder auch was zum Riechen haben“), Filzkugeln, Baumwollkordeln oder einem Holzring („Das Buchenholz kommt aus nachhaltiger Waldwirtschaft in Österreich“). Zu kaufen sind sie im Set à zehn, vier oder drei Stück.
Besser als Google: das Starthaus
Anfangs waren viele Fragen offen: Welche Möglichkeiten der Unterstützung gibt es? Wie funktioniert das mit der Steuer bei einem Kleinunternehmen? Und wo finde ich die richtigen Kontakte für mein Vorhaben? Bayer vereinbarte einen Termin beim Starthaus. „Als mein Berater mir erzählte, dass er keine Kinder hat, hatte ich zunächst Zweifel, ob er mir weiterhelfen kann“, sagt die Gründerin. Dann habe er aber genau die richtigen Fragen gestellt und Bayer erhielt die Antworten, die sie suchte. „Beim Starthaus habe ich Informationen und Tipps bekommen, die im Internet so nicht zu finden sind.“

Team von 2 bis 71 Jahre
Bayer entschied, es zunächst ohne Fremdkapital zu versuchen. Mit beschränkten finanziellen Mitteln, aber viel Herzblut startete sie ins Abenteuer Selbstständigkeit. Ende 2019 schaltete Bayer ihren Online-Shop live. Beim Friseur lernte sie eine 71-jährige Dame kennen und fragte sie, ob sie für haptix nähen wollen würde. Kurze Zeit später heuerte sie auch eine Bekannte der Dame an. „Meine Omis“, nennt Bayer ihre Mitarbeiterinnen liebevoll. „Sie nähen jedes Fühlsäckchen mit soviel Liebe, als wäre es für ihr eigenes Enkelkind“, sagt sie. So ist aus haptix ein Drei-Generationen-Betrieb geworden. Die kleine Alma testet neue Ideen, die Seniorinnen nähen, Bayer macht die Qualitätskontrolle, verpackt und verschickt die Bestellungen. Dazu kommen noch viele weitere Aufgaben wie der Vertrieb, das Online-Marketing oder die Verhandlungen mit Spielwarenverbänden.
Auch offline geht´s aufwärts
Wenn neben diesen vielen Aufgaben noch Zeit bleibt, besucht Bayer mit ihren Produkten Spielwarengeschäfte in der Umgebung. Bisher haben insgesamt acht Händler in Bremen, Hannover, Hildesheim, Wunstorf und Oldenburg die Fühlsäckchen ins Sortiment genommen. „Weil sie das Projekt gut finden und uns unterstützen wollen“, sagt Bayer. „Wir müssen jetzt aber schnell unseren Bekanntheitsgrad erhöhen, damit wir größere Stückzahlen zu günstigeren Preisen produzieren können“, fügt sie hinzu. Dann seien bald auch bessere Margen für die Händler drin.

Voll bremisch
Dass die Frau mit dem österreichischen Migrationshintergrund nach vier Jahren in Bremen voll integriert ist, zeigen ihre Ideen. Fühlsäckchen im Stadtmusikanten-Design stehen auf ihrem Wunschzettel für die Zukunft, ebenso eine Werder-Bremen-Edition mit elf Teilen. Vorher kommt aber noch ein Spiel im haptix-Design auf den Markt. „Corni“ besteht aus acht mit Popcornmais (Englisch = Corn) gefüllten Wurfsäckchen in zwei Farben und einem Holzspielbrett mit einem etwa zehn Zentimeter großen Loch in der Mitte. Eine hat das Produkt bereits abgenickt: Tochter Alma ist begeistert von der neuen Erfindung ihrer Mutter.
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