23.5.2022 - Sarah Ruminski

Nachhaltige Proteine aus Insekten

Erfolgsgeschichten

Europas erste Bio-Grillenfarm „EntoSus“ kommt aus Bremen

Florian Berendt und Melanie Christians zeigen einen Teller voller Grillensnacks
Florian Berendt und Melanie Christians bringen mit EntoSus Grillensnacks in die Supermärkte © EntoSus

Der Fleischkonsum in der Weltbevölkerung nimmt mit jedem neuen Jahr weiter zu. Es ist nichts Neues, dass große Teile des konsumierten Fleisches aus der industriellen Massentierhaltung stammen. Dem gegenüber nimmt allerdings die Nachfrage nach Fleischalternativen seit 2008 stetig zu. Das Bremer Startup EntoSus beschäftigt sich mit einem speziellen Ersatzprodukt: Grillen. In einem Interview erklärt Gründer Florian Berendt die Idee, den Hintergrund und zeigt, dass auch Insekten sehr schmackhaft sein können.

Die Erfolgsgeschichte von Florian beginnt vor gut 15 Jahren. Damals noch in einem alternativen Wohnprojekt lebend, entdeckt der heute 34-Jährige Bremer seine Liebe zur Landwirtschaft. Aus der damaligen Haltung von Schafen und Hühnern entstand ein Ansatz: Warum werden Hühner und Schweine nicht generell mit Insekten ernährt, obwohl diese doch das eigentliche Ernährungsspektrum sind?

Die Beobachtungen und Beschäftigungen mit den Nutztieren waren der Keim der Idee, die er von dort an weiterverfolgen sollte.

Durch seine Arbeit auf verschiedenen Bio-Höfen und das nebenberufliche Studium der Agrar- und Landwirtschaft wächst sein Interesse an den Insekten. Während des Studiums beschäftigt sich der junge Gründer vermehrt mit Insekten als alternatives Futtermittel und schreibt letzten Endes hierüber auch seine Bachelorarbeit. Trotz vieler folgender Eindrücke im Internationen Agrarmanagement verliert Florian eines nie aus den Augen: die Insekten. „Ich habe während meiner Zeit bei einer in weltweiten Bio Anbauprojekten Arbeitenden Firma viel gesehen und mich mit vielen verschiedenen Dingen beschäftigt. Dabei habe ich immer weiter auf die Insektenbranche geschaut und gemerkt, dass hier viel passiert“, erklärt er.

Die Insekten faszinierten ihn nun schon mehr als zehn Jahre: „Wenn dich etwas so lange schon beschäftigt, dann musst du es jetzt angehen. Bevor du dich später ärgerst, dass es du es nicht gemacht hast“.

Startschuss durch das Starthaus

Nachdem der angehende Gründer sich zunächst als Berater selbstständig gemacht hat, folgt schließlich die Anfrage beim Starthaus und die Teilnahme am 12-monatigen Starthaus-Coachingprogramm. Nachdem er zunächst eine Insektenfarm für die Tierernährung im Sinne hatte, verfestigte sich während seiner Gründungsvorbereitung im Coachingprogramm die Idee, die Insekten für die menschliche Ernährung anzubieten. „Rund zwei Milliarden Menschen weltweit ernähren sich bereits regelmäßig von Insekten. Warum sollte man nicht auch in Deutschland den Anteil an essbaren Insekten erhöhen?“, fasst Florian seine Idee zusammen. Ein Besuch auf einer Grillenfarm in Finnland und Recherchen bestätigen dann letzten Endes sein Vorhaben, die Grillen als Nahrungsmittel einzusetzen.

Im Vergleich gibt es Grillen in Deutschland für den menschlichen Verzehr noch nicht allzu häufig und sie bieten ein gewisses Potenzial, da noch viel händisch umgesetzt werden muss und Potenzial für Automatisierungen besteht. Nach einigen ersten Zuchtversuchen folgt dann der nächste wichtige Schritt ins junge Unternehmen: Die Starthaus Crowdfunding-Kampagne erreichte mit knapp 25.000 Euro eine beachtliche Fundingsumme, die in den Start des Unternehmens investiert wurde, um Teile der Zuchtboxen für die Pilotfarm anzuschaffen. Zudem floss zusätzliches Kapital durch den Beteiligungsfonds der BAB in das Unternehmen.

Grillen
Insekten als alternatives Nahrungsmittel © EntoSus

Schwierigkeiten in der Pandemie

Die Corona-Pandemie war auch für das junge Unternehmen ein herber Rückschlag. Durch die vielen Lockdowns und Beschränkungen war es für das Startup gerade zu Beginn schwierig, das erklärungsbedürftige Produkt flächendeckend auf den Markt zu bringen und der neuen potenziellen Kundschaft nahezubringen. Verkostungen sind gerade bei innovativen Nahrungsmitteln von großer Bedeutung, da ohne diese häufig das Produkt nicht gekauft wird. „Es ist wichtig, raus und auf die Leute zuzugehen. Wir müssen mit ihnen sprechen und ihnen unser Produkt an so vielen Orten wie möglich vorstellen und aufklären. Dies geht nur mithilfe von Verkostungen, was während der Pandemie sehr schwer umzusetzen war“, resümiert Florian den Beginn seiner Unternehmung. Die Lösung lag in der Kommunikation mit einigen Bio-Großhändlern, die die Produkte ins Sortiment aufgenommen haben. Der eigene Online-Shop war zudem eine weitere nützliche Vertriebsquelle, um die Produkte über das Internet zu verkaufen. Zurzeit steht Florian mit seinem Team jedoch vor der nächsten Herausforderung: Die steigenden Preise für Energie, Verpackungen, Gläser und Futtermittel für die Tiere erfordern eine hohe Vorfinanzierung und bringen Teile des Geschäftes durcheinander. „Alles in allem sind wir bis jetzt aber ganz gut durchgekommen und hoffen, dass wir nun mit Vollgas weitermachen und unsere neuen Produkte auf den Markt bringen können“.

Deutschlands erste Naturland zertifizierte Insektenfarm

Die Nutzung von Insekten als Nahrungsmittel ist im eigentlichen Sinne nichts Neues. Es gibt bereits seit mehreren Jahren einen Markt für essbare Insekten, der mit jedem Jahr weiterwächst. Die Anzahl aktiver Unternehmen, die Insekten als Lebensmittel züchten oder sie vertreiben, wird weltweit auf über 150 geschätzt. In Deutschland ist der Trend noch nicht gänzlich angekommen. Gut für die Insektenzüchter aus Bremen: „Natürlich gibt es mittlerweile einige Produkte aus essbaren Insekten auf dem Markt, aber der Wettbewerb in Deutschland hält sich noch in Grenzen. Neben uns gibt es zurzeit nur eine weitere zugelassene Grillenfarm klärt der Gründer über die Konkurrenz auf. Das besondere an EntoSus ist die Abbildung einer kompletten Produktionskette. In der großen Halle in Hemelingen, in der mittlerweile die Grillenzucht stattfindet, werden die Grillen auf der Farm gezüchtet, verarbeitet und schließlich in den Handel gegeben. „Andere Anbieter haben Spezialisierungen, beispielsweise nur in der Verarbeitung oder der Zucht. Bei uns gibt es alles aus einer Hand, da wir unsere Prozesse optimiert haben“.

Grillen
Richtige Haltung und Ernährung sind wichtig, damit Insekten für den Verzehr unbedenklich sind. © EntoSus

Hinzu kommt der Anspruch, nach ökologischen Standards zu arbeiten und diese zukunftsfähig einzusetzen. Als erste Naturland zertifizierte Insektenfarm überhaupt produzieren die Bremer nach höchsten Maßstäben, die oftmals noch über denen der Bio-Zertifizierung liegen. Eine weitere Besonderheit liegt im Prinzip der Kreislaufwirtschaft, denn das Futter der Grillen besteht zum überwiegenden Teil aus Reststoffen von Biobetrieben aus der Land- und Lebensmittelwirtschaft.

Ein Blick in die Zukunft

Neue Produkte und eine breite Palette an alternativen Fleischersatzprodukten stehen ganz oben auf der Liste der Ziele für die Zukunft. „Vor allem unsere neue Grillen-Leberwurst ist einmalig in ganz Deutschland“, erzählt er stolz. „Wir möchten den Farmbereich ausbauen und dann mit verschiedenen Landwirten langfristig zusammenarbeiten, indem wir unsere Technik und unser Know-how weitergeben und die Produktion abgeben.“ Der Fokus soll zukünftig demnach auf die Verarbeitung und das weitere Wachstum gelegt werden. Darüber hinaus sollen die Produkte von EntoSus im Biofachhandel präsenter sein und mehr Verkostungen im stationären Handel angeboten werden.

Zurzeit können in den Zucht Containern um die drei Tonnen frische Insekten pro Monat gezüchtet und anschließend verarbeitet werden. Das Ziel, fünf bis zehn Tonnen pro Monat in den nächsten Jahren zu züchten, scheint erreichbar und wird unter Hochdruck und mit viel Leidenschaft von dem Bremer Unternehmen verfolgt.

Eine Überwindung, die sich lohnt

In den letzten zwei bis drei Jahren ist im Bereich der alternativen Fleischersatzprodukte durch die hohe mediale Aufmerksamkeit viel passiert. Die Akzeptanz steigt und das wirkt sich auch auf den Absatz aus. Nachdem am Anfang bei vielen Kundinnen und Kunden Skepsis im Vordergrund stand, gibt es nach der Verkostung einen großer Aha-Effekt. „Das ganze Tier zu verköstigen ist für viele eine Überwindung. Am Anfang ist es häufig eher eine Abneigung gegenüber den Produkten“ berichtet Florian über seine Erfahrungen auch aus der Crowdfunding-Kampagne. Sie wissen nicht so richtig, was sie aus dem ganzen Insekt machen sollen, weswegen an neuen und weiterverarbeiteten Produkten gearbeitet wird. Ziel der Verkostung von ganzen Insekten sei es, die Hemmschwelle erst einmal abzubauen. „Danach sind die weiterverarbeiteten Produkte gar nicht mehr so schlimm, da man es bereits kennt. Und wir haben viele begeisterte Kundinnen und Kunden, die ihre Meinung nach dem Verzehr geändert haben“, beschreibt er den Markteinstieg des Unternehmens.

Grillen mit Kräutern
Den Grillensnack von EntoSus gibt es in verschiedenen Geschmacksrichtungen. © EntoSus

Mut zum Scheitern

„Gründerinnen und Gründer müssen einen langen Atem haben, an die Idee glauben und voll dahinterstehen. Es wird Rückschläge geben, aber auch diese sind fördernd für das Unternehmen“, sagt der Gründer selbstbewusst.

Vor allem der Austausch untereinander und mit anderen Personen ist entscheidend für den Erfolg eines Startups. Wenn man eine Idee hat, sollte man über diese mit so vielen Menschen wie möglich sprechen, ohne dabei aber sein Geheimnis zu verraten. Wichtig ist zudem, dass man sich auch außerhalb des familiären und Freundeskreises Meinungen anhört und Feedback einholt. „Um ehrliche Kritik zu erhalten, muss man auch auf Außenstehende zugehen und ihnen die Idee vorstellen. Man darf sich aber bei schlechtem Feedback nicht entmutigen lassen, sondern dieses als konstruktive Kritik sehen und mit ihr arbeiten“, rät er.

„Netzwerken, Netzwerken, Netzwerken“, legt Florian anderen Gründerinnen und Gründern nahe. Es gäbe viele Möglichkeiten, sich sein eigenes Umfeld aufzubauen. Auch in Bremen gibt es bereits viele vorhandene Strukturen, die man angucken und nutzen sollte. So bietet das Starthaus mit der Gründungsberatung und den verschiedenen Veranstaltungen eine gute Möglichkeit, sich mit anderen Gründenden auszutauschen und Erfahrungen zu sammeln. „Seid euch nicht zu schade und nehmt Hilfe an, wenn ihr sie braucht“, rät der Gründer abschließend.

An einer Gründung interessiert? Schreibt uns gern eine Mail an info@starthaus-bremen.de oder ruft uns unter +49 (0)421 9600 372 an, wenn ihr Fragen zu eurer Gründung(sidee) habt. Wir haben die Antworten.

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