27.6.2023 - Annekathrin Gut

„Da muss der Antrag tipptopp sein“

Finanzierung

Attraktive Förderung für europaweite Startup-Projekte: Matthias Wurch über den EIC Accelerator

Matthias Wurch im Interview
Matthias Wurch gibt im Interview Tipps für Startups, die sich für den EIC Accelerator bewerben wollen. © Starthaus/Sarah Mehler

Ein Förderprogramm für die Leuchttürme unter den Innovationen, das ist der EIC Accelerator im EU-Forschungsprogramm Horizon Europe. In Deutschland ist die Nationale Kontaktstelle beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR Projektträger) in Bonn angesiedelt. Matthias Wurch berät dort Startups, die sich für einen Antrag interessieren. Das Programm bietet eine hochattraktive Förderung in Form von Zuschüssen und Kapitalbeteiligung. Entsprechend hoch sind die Anforderungen, um an die begehrte Finanzierung zu kommen. Matthias erklärt, worauf es ankommt.

Matthias Wurch ist wissenschaftlicher Referent beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt in Bonn. In der Nationalen Kontaktstelle berät er Startups und KMU zum EIC Accelerator und anderen Förderprogrammen. An der Universität Hannover hat der Europawissenschaftler zuvor als Innovations- und Projektmanager in verschiedenen internationalen Projekten gearbeitet.

Welche Unternehmen spricht das Förderinstrument EIC Accelerator an?
Matthias: Zielgruppe sind ganz klar kleine und mittlere Unternehmen sowie Startups, die mit ihrer Innovation nah am Markt sind. Es sollten Unternehmen sein, die eine wirklich disruptive Innovation haben, mit einem großen, mindestens europäischen und besser noch globalen Marktpotenzial. Man kann sagen, dass der EIC Accelerator eine Leuchtturmförderung ist.

Worauf zielt das Programm?
Matthias: Für ein Forschungsförderungsprogramm setzt es relativ spät an, ab Technology-Readiness-Level 5 bis 6. Das bedeutet, dass zum Beispiel bereits ein Prototyp vorliegt. Unternehmen werden bis in die Marktimplementationsphase unterstützt.

Das Besondere ist, dass da die Förderung aber nicht aufhört. Wenn die Innovation auf dem Markt ist, unterstützt die Europäische Kommission mit Equity und wird sozusagen Investor. In der Vergangenheit war oft das Problem, dass viel im Forschungsbereich gefördert wurde. Aber sobald die Innovationen auf dem Markt waren, gab es weniger Unterstützung. Das versucht die Kommission durch die Equity-Komponente zu adressieren.

Wofür kann ein Startup diese beiden Förderbausteine einsetzen?
Matthias: Der erste Teil ist ein Zuschuss, der Grant. Hier wird das Unternehmen mit bis zu 2,5 Millionen Euro gefördert mit einer 70-prozentigen Förderquote. Das Geld kann für Innovationsaktivitäten verwendet werden, wie Weiterentwicklung, Demonstratoren, Prototyping, aber auch die vorbereitende Markteinführung. Den Zuschuss bekommt man, bis die Innovation auf dem Markt ist.

Dann kommt der Punkt, wo der Zuschuss mit Equity kombiniert wird. Dieses Investment ist flexibler einsetzbar und nicht so stark an die Weiterentwicklung gebunden. Es kann auch für die Markteinführung oder zur Deckung des Eigenanteils verwendet werden. Dieses Eigenkapital hat ein hohes Volumen: zwischen 500.000 Euro und 15 Millionen Euro pro Investment.

Was macht den EIC Accelerator im Vergleich zu anderen Forschungsförderungen interessant?
Matthias: Wirklich besonders ist, dass es ein themenoffenes Programm ist, wo man als einzelnes Unternehmen einen Antrag stellen kann. Das reduziert die Hemmschwelle deutlich. Im europäischen Bereich gibt es sonst häufig Konsortialprojekte mit Universitäten, Hochschulen und Unternehmen aus vielen europäischen Ländern. Da muss man mit seiner Thematik genau in eine spezifische Ausschreibung passen. Das ist hier alles nicht der Fall.

Was ist eure Rolle als Nationale Kontaktstelle?
Matthias: Vereinfacht gesagt ist unsere Rolle, deutsche Unternehmen zu unterstützen, um ihre Chancen zu erhöhen, dass sie von diesem europäischen Fördertopf profitieren. Das fängt an bei Information und Beratung und geht bis zu Veranstaltungen. Wir sichten erste Projektideen und -skizzen oder auch Anträge und geben Feedback. Wir organisieren Antragstellerwerkstätten, wo wir erklären: Wie stellt man einen Antrag? Was sind die Tipps und Kniffe, die es zu beachten gibt? Finanziert wird dies durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz, daher sind unsere Dienstleistungen immer kostenfrei!

Welche Tipps und Kniffe sind denn das?
Matthias: Man muss sich als erstes die Frage stellen: Passe ich wirklich in das Programm? Da es einen Leuchtturmcharakter hat, ist das Risiko, die Förderung nicht zu bekommen, nicht unwahrscheinlich.

Wenn das Unternehmen gut passt und willens ist, Zeit in den Antrag zu investieren, dann muss dieser wirklich gut werden. Es gibt in der komplexen Antragstellung viele kleine Stellschrauben, für die wir Hinweise geben können. Bei dem Antragstool im Internet gibt es zum Beispiel viele technische Fragen zu klären. Oft weisen wir die Startups und KMU auch darauf hin, dass sie sich genau überlegen müssen, was sie in dem Antrag ausdrücken wollen.

Dass sie zum Beispiel ganz genau ihre Ziele darstellen?
Matthias: Genau, dass sie die Ziele konkretisieren. Aber auch, dass sie das Potenzial, das die Innovation hat, herausarbeiten. Manchmal tendieren Unternehmen in Deutschland dazu, sehr bodenständig und real zu sein. Es ist zwar wichtig, nicht zu übertreiben. Aber man muss auch aussprechen, wieviel Potenzial in einem steckt.

Gibt es typische Fehler bei der Antragstellung?
Matthias: Ein klassischer Fehler ist, dass zwar das Potenzial gut herausgearbeitet wird, aber das Risiko nicht. Warum könnte es vielleicht auch nicht klappen? Sich die Frage auch andersherum zu stellen, das ist ganz zentral.

Und darauf reagiert eine Antragskommission nicht kritisch?
Matthias: Eher im Gegenteil. Es kann sein, dass die Evaluatoren sagen: Wir sehen in diesem Antrag kein Risiko dargestellt. Ohne das darf nicht gefördert werden.

Welche Tipps gibst du außerdem?
Matthias: Man sollte den Antrag wie für einen Investor schreiben, also wie einen Businessplan. Damit tun sich manche schwer. Da unterscheidet sich der EIC Accelerator von vielen anderen Förderprojekten auf nationaler oder auch europäischer Ebene, die eher den wissenschaftlichen Exzellenzgedanken im Hintergrund haben.

Interviewte und Gäste beim Fireside Chat Event
Beim regelmäßigen Fireside Chat geben Investorinnen und Investoren sowie Startups, die Erfahrungen mit Investments haben, Tipps für interessierte Unternehmen aus Bremen und Bremerhaven. © Starthaus/Sarah Mehler

Wie wichtig ist es beim Antrag für den EIC Accelerator, thematisch einen europäischen Ansatz zu haben?
Matthias: Dadurch, dass Unternehmen gefördert werden sollen, die einen europäischen oder globalen Markt haben, ist es gut, wenn die Innovation einen europäischen Mehrwert bringt. Das ist eines der Evaluationskriterien. Gern gesehen sind Themen, die aktuell relevant für den Wirtschafts- und Forschungsstandort Europa sind.

Beim EIC Accelerator gibt es themenoffene Bewerbungsaufrufe. Daneben schreibt die EU-Kommission Challenges zu bestimmten Themen aus. Das sind oft die zentralen Themen, mit denen sich Europa positionieren will, zum Beispiel Klimaschutz, Green Deal, Gesundheitsthemen.

Kannst du ein Beispiel skizzieren, das aktuell gefördert wird? Warum war es überzeugend?
Matthias: Aktuell gefördert wird die traceless materials GmbH aus Hamburg. Das Bioökonomie-Startup hat eine Technologie entwickelt, mit der aus pflanzlichen Reststoffen der Agrarindustrie eine biozirkuläre Kunststoffalternative hergestellt werden kann.

Kann man den Antrag selbst stellen oder sollte man sich besser Hilfe holen?
Matthias: Das ist beides möglich. Wir als Nationale Kontaktstelle unterstützen, was Fragen angeht oder durch einen Antragscheck. Aber wir schreiben den Antrag nicht. Es gibt Beraterfirmen, die das anbieten. Aus meiner Sicht ist es aber durchaus möglich, diesen Antrag alleine zu schreiben.

Wie läuft das Verfahren ab?
Matthias: Es ist ein dreistufiges Auswahlverfahren. Die erste Stufe ist vom Zeitaufwand her relativ überschaubar. In einem Online-Antragstool muss man zehn Fragen beantworten und seine Innovation skizzieren. Man muss eine Präsentation mit zehn Slides einreichen und ein kurzes, etwa dreiminütiges Video hochladen. Das kann durchaus ein gut gemachtes Handy-Video sein, in dem man das Team, das hinter der Innovation steht, vorstellt.

Ich finde das mehrstufige Verfahren grundsätzlich gut, weil man sich sehr viel Arbeit spart, wenn man es nicht in die Stufe Zwei schafft. Der zweite Schritt ist viel umfangreicher. Das ist der schriftliche Hauptantrag. Man könnte sagen, es ist der eigentliche Businessplan.

Abgeschlossen wird das Verfahren in der Stufe Drei durch ein Interview. Das ist vergleichbar mit einem Investoren-Pitch, wie ihn die meisten Startups schon kennen. Virtuell steht man nochmal Rede und Antwort, bevor die Entscheidung gefällt wird.

Wer entscheidet über die Zu- oder Absage?
Matthias: Die Entscheidung wird im Auftrag der Kommission durch ein Gremium an Evaluatoren gefällt. Beim EIC Accelerator kommen die meisten aus der Wirtschaft. Das sind Business Angels, Wirtschaftsvertreter, aber natürlich auch Evaluatoren mit einem fachlichen Fokus. In jedem Gremium soll ein Experte aus demselben wissenschaftlichen Feld dabei sein.

Angenommen, das Projektteam bekommt die Förderung. Wie geht es dann weiter?
Matthias: Innerhalb von wenigen Monaten nach der Zusage wird das Grant-Agreement aufgesetzt. Dann muss das Team gemäß des Projektplans die Innovation implementieren. Es gibt Reportingpflichten zur Mitte und zum Abschluss der Laufzeit. Parallel läuft oft schon der zweite Teil, bei dem die Investmentkomponente mit dem EIC-Fond ausgehandelt und beschlossen wird.

Wenn ich als Startup am EIC Accelerator interessiert bin, wo kann ich mich mit Unternehmen austauschen, die mit ihrem Antrag schon erfolgreich waren?
Matthias: In unseren Antragstellerwerkstätten laden wir Unternehmen ein, ihre Best Practices zu präsentieren. Es ist total hilfreich für Startups, wenn sie aus dem Mund eines anderen Unternehmers hören, wie die Herausforderungen sind, so einen Antrag zu stellen. Die Erfolgsgeschichten haben meistens eine positive Denke. Aber die meisten berichten auch darüber, was es real bedeutet, und welches Risiko damit verbunden ist.

Eine gute Möglichkeit, um sich zu orientieren, ist auch das EIC Accelerator Data Hub. Auf einer Europakarte und mit verschiedenen Filtermöglichkeiten kann man nach geförderten Projekten aus der eigenen Region oder Branche suchen und Projektberichte lesen. Darüber kann man Kontakt zu anderen Unternehmen herstellen.

Wie schätzt du den EIC Accelerator insgesamt ein?
Matthias: Wenn man sich die Förderkonditionen anguckt, dann sind die großartig. Ich finde das richtig gut: zweieinhalb Millionen Euro Zuschuss bei einer 70-prozentigen Förderquote. Dazu gibt es noch einen 25-prozentigen Overhead für indirekte Kosten. Das wird kombiniert mit einem Investment, das teilweise wirklich hoch ist. Das sind superattraktive Förderbedingungen. Die bekommt man nicht geschenkt. Da muss der Antrag tipptopp sein.

EIC Accelerator

Der EIC (European Innovation Council) Accelerator bietet Unterstützung für Unternehmen mit bahnbrechenden, hochrisikoreichen Innovationen und großem internationalen Marktpotential sowie europäischen und globalen Ambitionen. Startups und KMU können mit dem Accelerator konkrete Innovationen zur Marktreife und darüber hinaus entwickeln. Das Instrument bietet dafür neben Zuschüssen auch Beteiligungskapital (Mischfinanzierung).
Umfassendes Informationsmaterial und Links zum EIC Accelerator sind auf den Seiten der Nationalen Kontaktstelle zu finden.

Nationale Kontaktstelle beim DLR

Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt e. V. (DLR) ist Projektträger für mehrere Nationale Kontaktstellen des Forschungsrahmenprogramms Horizon Europe. Die Nationale Kontaktstelle zum EIC Accelerator wird vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz finanziert.

An einer Gründung interessiert? Schreibt uns gern eine Mail an info@starthaus-bremen.de oder ruft uns unter +49 (0)421 9600 372 an, wenn ihr Fragen zu eurer Gründung(sidee) habt. Wir haben die Antworten.

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