15.6.2021 - Anna Kehl

Die eigene Nische gefunden

Finanzierung

Wie diese Unternehmerin die Wissenschaft digitalisiert

Ein Screenshot eines Livestreams
So kann sie aussehen: Die virtuelle Plattform beim Livestreaming. © Smart Abstract

Aus dem Eventmanagement in die Selbstständigkeit: Die Bremerin Gabriele Köhn entwickelt mit Smart Abstract eine innovative Software für eine Zielgruppe mit besonderen Ansprüchen – die Wissenschaft.

Geht es um virtuelle Meetings, lässt sich nach dem vergangenen Corona-Jahr eines mit Sicherheit sagen – sie sind den meisten vertraut geworden. Den Einladungslink geöffnet oder einen Code eingegeben, schon kann der digitale Austausch starten. Deutlich komplexer wird es, wenn statt eines einfachen Meetings eine Konferenz ansteht – mit tausenden Teilnehmenden und einem Programm, das mehrere Tage füllt. Sind die Veranstalter:innen einer solchen Tagung wissenschaftliche Verbände oder kommen aus der Industrie, ist diese Größenordnung schnell erfüllt – bei Großveranstaltungen mit mehr als etwa 1.000 Teilnehmenden spricht man von einem Kongress, erklärt Gabriele Köhn, Geschäftsführerin des Bremer Unternehmens Smart Abstract. Damit ein Kongress auch digital reibungslos stattfindet, sind sie und ihr Team aus Projektmanager:innen und Programmierer:innen meist monatelang im Voraus beschäftigt.

Mit Unterstützung des Starthaus Bremen zur virtuellen Konferenzplattform

2020 gründete Köhn die Smart Abstract GmbH mit finanzieller Unterstützung durch das Starthaus Bremen. „Wir haben die Beteiligung für eine virtuelle Konferenzplattform erhalten“, begründet Köhn. Die Plattform dient als All-in-One-Lösung sowohl für komplett virtuelle, als auch für hybride Kongresse. Förderung für die nächste Wachstumsphase erhielt das innovative Unternehmen aus dem Beteiligungsfonds Bremen und dem Fonds „Beteiligungskapital in der Corona-Krise“ durch das Starthaus. Im Fall Smart Abstract standen allerdings die digitalen Produkte lange bevor die Pandemie und der Wandel hin zu virtuellen Konferenzen absehbar waren auf der Tagesordnung: Ihr Unternehmen startete die Bremerin bereits 2008 mit einer Abstract Management-Software als Kernprodukt.

Was ist Abstract Management?

Wer schon einmal ein wissenschaftliches Paper gelesen hat, weiß: Bei einem Abstract handelt es sich um eine kurze Zusammenfassung, die mitsamt Hypothesen, verwendeter Daten und zentraler Ergebnisse einen Überblick über den Forschungsbeitrag liefert. Steht ein Kongress an, können interessierte Wissenschaftler:innen zuvor die Abstracts ihrer Forschungsbeiträge einreichen. Diese durchlaufen ein mehrstufiges Bewertungsverfahren, das mitunter sehr komplex sein kann. Wessen Abstract als relevant eingestuft wird, darf die eigene Forschung auf dem Kongress präsentieren – und steigert die Chance auf eine Veröffentlichung in wissenschaftlichen Fachzeitschriften.

„Es gibt Kongresse mit 1.000 Vorträgen, bei denen auch 1.000 Abstracts eingereicht werden“, erzählt Gabriele Köhn – „die werden dann von etwa 200 Gutachter:innen bewertet“. Dass in dieser Größenordnung eine digitale Lösung für das Bewertungsverfahren unerlässlich ist, wird schnell klar. „Besonders wenn ein Kongress die Nachwuchsförderung unterstützt, gilt es als Verband, möglichst viele Teilnehmende zu sammeln“, erklärt sie. Auch bei Fortbildungen kämen häufig viele Teilnehmende zusammen, oft im medizinischen Bereich. Die Software des Bremer Unternehmens führt vom Einreichen der Abstracts bis zur Präsentation durch den gesamten Prozess – und bekommt vor allem für ihre intuitive Bedienung positives Feedback.

Gabriele Köhn
Gabriele Köhn, Geschäftsführerin des Bremer Unternehmens Smart Abstract. © Smart Abstract

Entwicklung zur Software für das Konferenzmanagement

Was zu Beginn den Kern des Unternehmens ausmachte, entwickelte die Bremerin mit ihrem Team weiter zu einer ganzen Palette aus digitalen Produkten für den wissenschaftlichen Austausch. Zu ihrer Kundschaft zählen neben Verbänden, Universitäten und Instituten auch deren Agenturen, so genannte PCOs: Professional Conference Organizer. Heute bietet Smart Abstract zusätzlich eine Programm- und Referentenplanung, eine Konferenz App sowie eine digitale Ausstellung elektronischer Poster. Je nach Bedarf sind die Module miteinander kombinierbar.

Nicht jede wissenschaftliche Kundschaft ist an einer Abstract Management Software interessiert – der Bedarf hängt stark davon ab, aus welchen organisatorischen Bestandteilen eine Konferenz besteht. „Wenn ein Kongress zum Beispiel nur zu 30 Prozent mit Abstracts arbeitet und 70 Prozent eingeladene Referent:innen sind, wird die Programmplanung eingesetzt“, so Köhn. Die Software bietet Veranstalter:innen die Möglichkeit, mittels Online-Werkzeugen die Referent:innen und Sitzungen zu organisieren. Kongressbesucher:innen bekommen das Programm über eine Webseite grafisch präsentiert und können sich Sitzungen den eigenen Interessen folgend interaktiv zusammenstellen.

Steile Lernkurve durch die Pandemie

Mit Corona und Einführung der virtuellen Konferenzplattform hat sich bei Smart Abstract einiges verändert: „Auf der einen Ebene ist viel Programmplanung weggebrochen – die Leute sollen oft einfach per Zoom ihre Vorträge präsentieren. Auf der anderen Ebene sind die Anforderungen an die virtuelle Plattform so komplex geworden, dass wir mit einem virtuellen Kongress im Monat alle beschäftigt sind“, berichtet Köhn. Videokonferenzdienstleister wie Zoom stellen jedoch keine Konkurrenz für das Bremer Unternehmen dar. Im Gegenteil: Zoom-Sitzungen lassen sich in die virtuellen Kongresse genauso einbinden wie Livestreams, Livechats und andere Formate. „Wir sind die Landingpage“, fasst Köhn zusammen. „Wir haben zurzeit eine Umsatzsteigerung, aber auch eine sehr hohe Lernkurve“, sagt sie.

Kongressteilnehmende erstellen im Vorfeld ein Profil und können darüber gezielt netzwerken, denn die Software filtert Teilnehmende nach inhaltlichen Schwerpunkten. Über ein „Match-Making“ finden Besucher:innen so interessante Kontakte. Nutzt ein Kunde oder eine Kundin die virtuelle Plattform, betreuen Köhn und ihr Team auch das Management der Teilnehmenden und den Chat. Nach intensiver Vorbereitung geht es dann in die Hochphase: „Es gibt Peak-Zeiten, meistens die ersten zwei Tage einer Konferenz, danach entspannt es sich etwas“, bilanziert sie.

Zukunftsaussicht: hybride Veranstaltungen

Die Entwicklungen der Branche behält die Projektmanagerin stets im Blick. „Veranstalter versuchen ihre Präsenz ins Web zu holen in Form von visueller Darstellung. Konkurrenz kam deshalb vor allem aus dem visuellen Bereich“, sagt Köhn. Besonders die Industrie möchte sich auf Kongressen darstellen, zum Beispiel in virtuellen Showrooms. Bei Smart Abstract stehe aber die Programmplanung im Mittelpunkt: „Darin sind wir stark“, weiß sie. Deshalb möchte Köhn die Positionierung des Unternehmens stabilisieren: „Dazu zählt auch, bei bestimmten Layout-Fragen Stopp zu sagen, zum Beispiel nicht in die 3D-Präsentation einzusteigen.“

Stattdessen orientiert sich Smart Abstract schon jetzt verstärkt an dem, was nach der Pandemie auf dem Plan steht – die Geschäftsführerin rechnet mit vermehrt hybriden Veranstaltungen. Die Teilnahme könnte dann zum Beispiel so aussehen: „Auf Knopfdruck haben Besucher:innen die Möglichkeit, aus der Eventplattform heraus die Kongress-App zu nutzen“, veranschaulicht sie. Neben dem Programm als Herzstück lassen sich über die App auch Umfragen durchführen, einzelne Sitzungen mit dem eigenen Kalender synchronisieren und mit Notizen versehen.

Programmierung und Projektmanagement verteilen sich bei Smart Abstract auf fünf Mitarbeitende, weitere Aufgaben übernehmen externe Partner – etwa ein Studio, um Livestreams mit Referent:innen dezentral anbieten zu können. Für die Zukunft wünscht sich die Unternehmerin vor allem ein größeres, festes Team, um das Unternehmen im Kerngeschäft zu stärken. „Ich suche unter anderem eine Projektleitung und eine:n Programmierer:in“, sagt sie. 

An einer Gründung interessiert? Schreibt uns gern eine Mail an info@starthaus-bremen.de oder ruft uns unter +49 (0)421 9600 372 an, wenn ihr Fragen zu eurer Gründung(sidee) habt. Wir haben die Antworten.

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