Mit KI auf der Überholspur
FinanzierungMit einem Computer zu sprechen, wie mit einem Menschen – heute schon Realität statt Science-Fiction. Jedenfalls für das KI-Start-up botario. Nach dessen Chatbots fragen selbst große Konzerne.
Alan Turing, Mathematiker und einer der „Väter der Künstlichen Intelligenz“, konzipierte im Jahr 1950 den berühmten Turing-Test. Das Gedankenexperiment diente dazu herauszufinden, ob ein Computer über Intelligenz verfügt: Eine Testperson chattet räumlich getrennt gleichzeitig mit zwei Partnern. Einer dieser Partner ist ein Computer, ohne dass bekannt ist, welcher. Kann die Testperson im Nachhinein nicht entscheiden, wer von beiden der Computer war, gilt der Test als bestanden.
Die Chatbots von botario sind durchaus Kandidaten für ein positives Testergebnis. Die künstlichen Intelligenzen (KI) des jungen Unternehmens unterhalten sich täglich mit hunderten Menschen – per Chat oder am Telefon. Die gleichnamige Chatbot-Plattform „botario“ wird von Gründer Roland Becker zusammen mit einem kleinen Team entwickelt und ist unter anderem bereits erfolgreich bei elf Krankenkassen und im Bewerbungsmanagement von mehreren Industriekonzernen im Einsatz.
Dialoge automatisieren und in natürlicher Sprache mit einem Computer interagieren – das ist das Versprechen hinter Chatbots. Die künstlichen Intelligenzen werden oft auch unter dem Gattungsnamen „Conversational AI“ zusammengefasst. Sie sind längst Alltag geworden. Ob in unserem Smartphone (Apples „Siri“), in intelligenten Lautsprechern (Amazons „Alexa“) oder auf Webseiten, wo uns Chatfenster begrüßen.
Der Markt für Chatbots wächst rasant und manche Expertinnen und Experten gehen davon aus, dass es in naher Zukunft ganz normal für uns sein wird, mit Computern über Sprache zu interagieren.
Damit ein Chatbot funktioniert, wird er mit möglichst vielen Daten trainiert – die im Voraus gesammelt und sortiert werden. Nach dem ersten Training können Chatbots durch Nutzerinteraktionen weiter dazulernen und verbessern sich so immer weiter.
Aufgaben übernehmen, Teams entlasten
Ein typischer Anwendungsfall ist dabei die telefonische Terminabsprache. „Termine auszumachen kostet viel Zeit. Die können Kundenberaterinnen und -berater von Krankenkassen besser für komplexere Fälle nutzen. Unsere künstliche Intelligenz nimmt ihnen diese Routinetätigkeit ab“, so Gründer Becker.
Aber auch bei schwierigeren Fragestellungen springt der Chatbot ein, etwa bei der Berechnung des individuellen Krankengelds oder des Zuschusses zum Zahnersatz. Das Medium ist dabei egal – ob am Telefon, im Chat, Whatsapp, E-Mail oder per SMS.
RASAnt unterwegs
Technisch beruht die Plattform auf RASA, der weltweit führenden frei verfügbaren (open source) Software für Conversational AI. Auch mit RASA selbst lassen sich KIs verwalten und Conversational AI Systeme bauen, aber längst nicht so komfortabel und gut wie mit botario – meint zumindest der Bremer Gründer selbstbewusst: „Es gibt nur wenige auf dem Markt, die sich technisch auf ähnlichem Niveau bewegen wie wir. Was wir hier machen, ist das nächste Level der Automatisierung im Sprachbereich. Mit RASA als Grundlage, mit unseren eigenen KI-Komponenten und mit der vollständigen Integration von Telefonie-Lösungen sind wir da anderen Chatbots deutlich voraus.“
Klingt beeindruckend – aber Becker muss es wissen. Er selbst ist „RASA Hero“, von RASA ausgezeichnet für seine wertvollen Beiträge zur Verbesserung der freien Plattform. Zusammen mit seinem Team setzt er zudem alles daran, immer up-to-date zu bleiben. Denn die KI-Technologie verändert sich laufend.
Erfolgsfaktor: Vertrauen
Dabei ist botario mehr als eine Chatbot-Software – es ist eine Management-Plattform für die Automatisierung von Dialogen und Prozessen aller Art. Sie ermöglicht es Angestellten, ohne Programmierkenntnisse selbständig auf das System zuzugreifen, es zu erweitern und zu verbessern. Eine wichtige Komponente. Denn auf diese Weise schaffen Becker und sein Team Vertrauen in die KI.
„Eine KI ist nur so gut wie die Daten, mit denen sie trainiert wird. Das Wissen aus den Fachabteilungen – ob bei Krankenkassen oder etwa in der Personalabteilung eines Industriekonzerns – ist dafür entscheidend. Dort sitzen aber keine KI-Profis, die programmieren können“, erklärt Becker. Die botario-Plattform kann von jedermann und jederfrau bedient werden – je nach Erfahrung mit unterschiedlichen Berechtigungsstufen.
„Unser Team setzt den Chatbot am Anfang auf, wir weisen das Team ein, danach ziehen wir uns zurück. Unsere Kunden schauen regelmäßig auf das Verhalten der KI und justieren nach. Zur Not können wir natürlich jederzeit unterstützen“, erzählt Becker. „Mit unserer Plattform sorgen wir dafür, dass sich die KI-Bots immer zuverlässig und konsistent verhalten und insbesondere in Ausnahmesituationen oder bei sensiblen Themen eindeutige und kontrollierbare Antworten geben.“ Denn kein Unternehmen würde Chatbots einsetzen, die versehentlich unpassende Antworten geben, schon gar nicht in hochsensiblen Bereichen wie der Gesundheit.
Notorischer Gründer
Roland Becker ist in der Bremer KI-Szene kein Unbekannter und dürfte vielen schon als Gründer des Start-ups „Just Add AI“ (JAAI) bekannt sein. Dass er nun mit einem zweiten Unternehmen auftaucht, ist Teil eines größeren Plans: „Mit JAAI beraten wir Unternehmen dazu, künstliche Intelligenz anzuwenden und wir entwickeln KI-Softwaren für sie. Manchmal entstehen dabei Produkte und Software-Lösungen, die gut skalieren können – also auch für viele weitere Unternehmen spannend sind. Die wollen wir dann über Ausgründungen in eigene Unternehmen skalieren“, erklärt der umtriebige Gründer. Und korrigiert: „Tatsächlich ist es sogar unser drittes Start-up, denn Scoutastic ist eine weitere erfolgreiche Ausgründung von JAAI, bei der inzwischen Transfermarkt.de die Mehrheit übernommen hat.“
Unterstützung aus dem Starthaus
Einen Investor für botario fand Becker in Form des EFRE-Beteiligungsfonds. Dieser unterstützt junge Unternehmen mit offenen Beteiligungen sowie Eigenkapital ergänzende Nachrangdarlehen in Höhe von bis zu 1,2 Millionen Euro. „Ich finde das Modell sehr attraktiv. Und die Zusammenarbeit mit dem Starthaus und den kompetenten Ansprechpersonen dort klappte wirklich gut“.
Bleibt noch eine Frage: Wie schafft es Becker, drei Start-ups zu managen, sich beim Digitalverband bremen digitalmedia aktiv für die Bremer KI-Szene im Netzwerk Bremen.AI zu engagieren und nebenher auch noch den Podcast „Think Reactor“ zu moderieren? „Ein super Team ist dafür unerlässlich. Und die Möglichkeit, aus einer Fünf-Tage-Woche eine Sieben-Tage-Woche zu machen“, verrät er lachend. „Wenn es einem Spaß macht, fällt die Zeit kaum ins Gewicht. Dann ist es eher schwer, nicht so viel zu arbeiten. Aber darauf passen meine Frau und meine drei Kinder schon auf, denn die stehen bei mir, trotz allem Spaß bei der Arbeit, immer an erster Stelle.“
Und damit dürfte auch klar sein – es wird nicht das letzte Unternehmen sein, was Becker in Bremen auf die Beine stellt.
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