„Ein Startup zu leiten ist Ausdauersport, kein Sprint“
FinanzierungEin Tag im Leben von myEnso-Gründer Norbert Hegmann
Norbert Hegmann hat einen typischen Arbeitstag für uns beschrieben. Dabei verrät der myEnso-Gründer, wie der Arbeitstag in einem Start-up abläuft – und warum es ein Vorteil ist, dass er früher Marathon gelaufen ist.
Es ist kein einfaches Terrain, auf das sich Norbert Hegmann gewagt hat. 2018 gründete der 47-Jährige mit seinem Geschäftspartner Thorsten Bausch den Online-Supermarkt myEnso. Die Konkurrenz in dem Segment ist groß. Nicht nur große Supermarktketten, sondern auch Riesen wie Amazon mischen im Online-Lebensmittelhandel mit. Für ihr Start-up mit Sitz in der Bremer Überseestadt haben die beiden deshalb einen besonderen Ansatz gewählt: myEnso ist auf die Bedürfnisse der Menschen zugeschnitten. Der Online-Supermarkt ist genossenschaftlich organisiert. Jede Kundin, jeder Kunde kann sich also Anteile an dem Unternehmen sichern. Bisher haben sich 60.000 Menschen bei myEnso registriert. Sie wählen beim Online-Einkauf aus einem Sortiment von 20.000 Artikeln aus, über das sie selbst mitbestimmen können. Uns hat Hegmann erzählt, wie ein typischer Tag in dem Start-up abläuft.
Ein Arbeitstag im Leben von Norbert Hegmann:
06:00 Die erste Aktion am Morgen führt mich vom Bett auf den Boden: Hier meditiere ich 25 Minuten lang. Danach dusche ich, ziehe mich an und checke vorm Frühstück kurz E-Mails. Ich sehe nur nach, ob irgendwas passiert ist, beantworte aber keine Nachrichten. Dann schaue ich, ob es bei LinkedIn etwas Neues gibt – zum Beispiel von unseren Lieferanten oder Investoren. Was Social Media angeht, bin ich auch bei Facebook und Instagram dabei, aber auf diesen Kanälen eher als stiller Konsument. TikTok habe ich auch mal ausprobiert, aber das musste ich wieder löschen, weil das Suchtpotential für mich einfach zu groß war.
07:00 Jeden Morgen pünktlich auf die Minute fange ich an, mit meiner Frau und meiner achtjährigen Tochter zu frühstücken. Dafür nehmen wir uns mindestens eine halbe Stunde Zeit. Spätestens um kurz nach halb acht müssen wir aber los, damit wir es noch pünktlich in die Schule schaffen.
07:35 Meine Tochter fährt mit dem Roller und ich mit dem Fahrrad nebenher. Sie ist jetzt in der zweiten Klasse und trifft sich mit ihren Mädels vor der Schule. Ich verabschiede mich also an der letzten Ecke vorm Schulgebäude, lasse sie das letzte Stück allein fahren und mache mich wieder auf den Weg nach Hause.
08:30 Zuhause trinke ich noch ein oder zwei Tassen Kaffee und fahre dann mit dem Auto ins Büro. Meistens mache ich beim französischen Bäcker in der Innenstadt Halt, weil der wirklich hervorragende Croissants macht. Da hole ich mir ein Croissant und einen Kaffee raus und fahre weiter. Wie man sieht, spielt Kaffee in meinem Leben eine große Rolle, ohne geht’s nicht.
09:00 Im Büro begrüße ich die Kolleginnen und Kollegen, fahre mein Laptop hoch und checke E-Mails. Wir arbeiten mit Microsoft Teams, wo wir unterschiedliche Chat-Gruppen haben: zum Beispiel eine für alle, eine fürs Lager und eine fürs Büro. Da trudeln dann morgens die ersten Nachrichten ein, die ich ebenfalls lese. Außerdem kontrolliere ich jeden Morgen unsere Bankkonten. Wir haben nicht einen oder zwei große Investoren, sondern viele kleine. Neben privaten Investoren finanzieren unsere Kundinnen und Kunden das Unternehmen als Teilhaber mit. Ein Anteil kostet 100 Euro, bisher sind Beteiligungen im Wert von einer halben Million Euro vergeben. Bis mindestens Ende nächsten Jahres sind wir noch auf Fremdkapital angewiesen. Der ständige Blick auf die Finanzen gehört bei einem Start-up wie unserem also dazu.
10:00 Es geht weiter mit diversen Terminen. Unter anderem steht ein Teammeeting an, bei dem es um die Digitalisierung des Lagers geht. Die eine Hälfte unseres Teams sitzt dabei im Büro zusammen, die andere nimmt über Microsoft Teams von zu Hause teil. Ich muss sagen, dass sich durch Corona meine Einstellung zum Thema Home Office gewandelt hat: Ich bin vom Feind zum Freund geworden. Ich glaube nicht, dass es uns als sozialen Wesen guttut, jeden Tag alleine zu Hause abzuhängen, aber eine Aufteilung 50/50 zwischen Home Office und Büro funktioniert bei uns gut.
13:00 Montags kommen wir für das „weekly“ zusammen, unser wöchentliches Stand-up-Meeting. Wir stehen alle um einen großen Tisch im Eingangsbereich herum und jeder erzählt, was diese Woche Thema ist. Dabei gehen wir auch immer die Umsatzzahlen der letzten Woche durch.
13:50 Vorm nächsten Termin stelle ich für meine Schwiegermutter, die auf Usedom lebt, noch schnell ein myEnso-Weihnachtspaket mit Schokolade, Tee und anderen Produkten zusammen. Gerade als ich auf den Bestell-Button drücke, kommt mein Geschäftspartner Thorsten Bausch rein. Es geht weiter!
14:00 Wir telefonieren mit Seven Ventures, der Venture-Capital-Firma von ProSiebenSat1. Seven Ventures beteiligt sich an Start-ups, zahlt für die Anteile aber kein Geld, sondern stellt im Gegenzug Werbezeit im Fernsehen zur Verfügung. Solche Investorengespräche machen einen großen Teil unserer Zeit aus.
15:00 Mittags esse ich ein Brötchen vorm Computer. Das ist ungesund, ich weiß, aber dafür mache ich jeden Tag eine Bewegungspause. Ich zieh mir Turnschuhe an, pack mir Musik auf die Ohren und laufe eine Runde an der Weser, da kommen jeden Tag etwa 3.000 Schritte zusammen.
15:30 Danach telefoniere ich mit unserem Gesellschafter Tino Hammer, der uns im Bereich Finanzierung und Förderprojekte berät. Wir werden bereits von EFRE, dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung, gefördert. Und wir prüfen gerade, ob bei der Digitalisierung des Lagers eine weitere Förderung möglich ist. Bremen hat viele Möglichkeiten der Unterstützung und wir sind in der glücklichen Lage, dass wir einiges nutzen durften und konnten. Seit dem November ist sogar die Bremer Aufbau-Bank GmbH über die BAB Beteiligungs- und Managementgesellschaft Bremen mbH, kurz BBM, bei uns beteiligt.
17:00 Endlich kann ich mich um die Dinge kümmern, die auf meiner To-Do-Liste stehen. Ich erstelle Präsentationen, schreibe E-Mails oder gebe anderen Feedback zu ihren Ideen.
19:30 Wenn ich mit meiner Familie zu Abend esse, muss ich spätestens jetzt zu Hause sein. Sonst bleibe ich auch gerne bis 20 Uhr im Büro.
20:30 Nach dem Abendessen arbeite ich meistens noch einige Stunden weiter. Unter anderem beschäftige ich mich mit LinkedIn, wo ich mittlerweile 1.200 Follower habe, oder schreibe Konzeptpapiere.
23:00 Nach einem langen Arbeitstag ist es Zeit fürs Bett. Dass ich oft bis spät arbeite, liegt auch daran, dass ich für ein Start-up verantwortlich bin. Viele Menschen haben in myEnso investiert. Das macht etwas mit einem. Diese Verpflichtung treibt einen an, immer noch etwas mehr leisten zu wollen. Früher habe ich Triathlon gemacht und bin auch mehrere Marathons gelaufen. Das ist sicher etwas, das mir heute hilft. Denn ein Start-up zu leiten, das ist Ausdauersport, kein Sprint. Der Erfolg ist in vielen Fällen das Ergebnis langer, anstrengender Arbeit. Das gehört einfach dazu.
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