5.3.2024 - Lisa Lubrich

„Sozialunternehmen sind die Unternehmensform der Zukunft“

Social Entrepreneurship

Im Gespräch mit Frederic Penz von der Leuphana Universität Lüneburg über Gründungsbegleitung, nachhaltige Unternehmen und deren Wirkung

Frederic Penz auf der Bühne
Frederic Penz ist Gründungsberater und forscht parallel im Bereich zum Thema Wirkungsskalierung im Impact Entrepreneurship. © WFB/Seebeck

Im Gespräch beschreibt Frederic (29) die Gründungsberatung im Lüneburger Impact Inkubator und erzählt, dass seiner Meinung nach das größte Hindernis für Sozialunternehmen die fehlende finanzielle Förderung ist. Obwohl diese häufig einen Wettbewerbsnachteil haben. Dabei sind Sozialunternehmen so wichtig für unsere Gesellschaft. „Sozialunternehmen sind kein alternatives Modell zu konventionellen Unternehmen, sie sind die Unternehmensform der Zukunft“, erklärt Frederic. „Wirkungsorientierte Unternehmen sind als „the new normal“ zu verstehen. Wenn wir die Wirtschaft in Richtung Nachhaltigkeit transformieren wollen, spielen sie die entscheidende Rolle.“

Frederic, was hast du bisher studiert oder gearbeitet und was genau machst du jetzt an der Leuphana Universität Lüneburg?
Frederic Penz: Ich komme ursprünglich aus der Nähe von Hannover, bin auf dem Land großgeworden und habe nach meinem Abitur ein Jahr in Australien verbracht. Dann habe ich in Lüneburg Wirtschaftspsychologie studiert und in St. Gallen Strategie und internationales Management. Seit gut drei Jahren bin ich nun wieder in Lüneburg und habe Ende Januar meine Promotion zum Thema Wirkungsskalierung im Impact Entrepreneurship eingereicht. Zudem habe ich aktuell zwei Verantwortungsbereiche an der Leuphana. Zum einen habe ich vor drei Jahren einen Impact Inkubator für nachhaltige Startups aufgebaut, den ich auch leite. Zum anderen bin ich seit Ende letzten Jahres für die Leuphana Social Innovation and Entrepreneurship Community insgesamt zuständig.

Warum fokussierst du dich auf nachhaltige Gründungen? Wie kam es dazu?
Frederic: Während meines Masters habe ich auch einige Monate in Mexiko und Guatemala verbracht. Neben einem Auslandssemester und einem Praktikum habe ich dort mit Kommiliton:innen eine landwirtschaftliche Genossenschaft für und mit einer Frauengemeinschaft in Xela gegründet. Dies war mein erster Kontakt zum Thema Gründung insbesondere dem Thema Impactgründung. Das hat mich so geprägt, dass noch zwei weitere Gründungen folgten.

Noch während meines Masters in der Schweiz habe ich mit Kommilitonen ein veganes Käse-Startup gegründet. Und während der Coronapandemie dann mit Freunden zusammen eine Vermittlungsplattform für mentale Gesundheitsangebote geschaffen, für die wir auch vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) eine Förderung bekommen haben.

Bei allen drei Gründungen stellte ich mir immer die Frage, was wir damit eigentlich bewirken und bewirken können. Einerseits für die Person, für die wir das Produkt oder den Service entwickeln, und andererseits auch auf einer gesellschaftlichen, systemischen Ebene. Das sind natürlich Fragen, denen man gerade zu Beginn einer Gründung nicht wirklich in der Tiefe nachgehen kann. Daher habe ich mich vor circa vier Jahren entschieden, dies im Rahmen meiner Promotion zu tun.

Besonders spannend ist es, dass du sowohl theoretisch forschst als auch praktisch an dem Thema arbeitest. Wie schaffst du eine gute Verknüpfung zwischen Theorie und Praxis?
Frederic: Eine gute Verbindung zwischen Theorie und Praxis ist nicht immer so leicht herzustellen, wie man es sich vorstellt. Bei mir klappt es allerdings gut über drei Aspekte: erstens über das Netzwerk. Wenn ich mit spannenden Gründer:innen im Rahmen meiner Forschung spreche und sie begleite, kann ich sie auch häufig als Mentor:innen oder Members für unsere Community gewinnen. Zweitens beschäftige ich mich ja ganz stark mit dem Thema Wirkung in der Forschung, insbesondere der Skalierung und Messung, und diese Erkenntnisse kann ich dann zum Beispiel in Workshops oder auch in Coachingsessions immer direkt verwenden. Und drittens liefert mir die praktische Arbeit natürlich immer wieder Einblicke, wo Wissen fehlt oder welche Fragen in der Praxis noch offen sind, und diese kann ich dann direkt in die Forschung transferieren.

Wie würdest du den Unterschied zwischen einem Sozialunternehmen und einer Nichtregierungsorganisation (NGO) beschreiben? Warum sind Sozialunternehmen deiner Meinung nach gerade wichtig für unsere Gesellschaft?
Frederic: Sozialunternehmen und NGOs haben für mich erst mal vieles gemeinsam, denn sie arbeiten beide wirkungsorientiert. Das heißt, sie möchten etwas für benachteiligte Zielgruppen, die Umwelt oder die Gesellschaft positiv verändern. Und sie versuchen dies in der Regel möglichst effizient zu machen, da die Ressourcen knapp sind. Der Hauptunterschied liegt für mich darin, wie sie ihre Ressourcen gewinnen. Während NGOs diese aus Spenden oder Anträgen gewinnen, finanzieren sich Sozialunternehmen überwiegend aus eigenen Einnahmen und haben ein Geschäftsmodell. Meiner Meinung nach haben Sozialunternehmen somit eine entscheidende Rolle, wenn wir unsere Wirtschaft in Richtung Nachhaltigkeit transformieren wollen. Ich sehe sie nicht als alternatives Modell zu konventionellen Unternehmen, sondern als Unternehmensform der Zukunft. Sozialunternehmen, im Sinne von wirkungsorientierten Unternehmen, sind für mich „the new normal“ im 21. Jahrhundert.

In Lüneburg bietet ihr Gründungsbegleitung für Sozialunternehmer:innen an. Wie sieht diese aus? Was funktioniert gut in eurem Programm und wo müsstet ihr nachjustieren?
Frederic: In unserem Inkubator unterstützen wir zehn bis zwölf Teams über einen Zeitraum von vier Monaten von der Idee bis zur Gründung. Zu Beginn arbeiten wir insbesondere an der Teamaufstellung, der Vision und Mission, setzen konkrete Ziele und schauen uns ein gutes Projektmanagement an.

Über die Zeit betrachten wir dann tiefer in das eigentliche Problem, machen eine Fehler-Ursachen-Analyse, eine Kundinnen- und Kundenanalyse und gehen dann in die Ideen(weiter-)entwicklung und das Prototyping über. Am Ende geht es dann um das Finanzierungs-, das Geschäfts- und das Wirkungsmodell. Die Teams bekommen Pitchtrainings und die Möglichkeit vor einem großen Publikum ihre Idee zu präsentieren. Das Ganze wird begleitet durch ein intensives Mentoring, ein Coworking-Angebot sowie einige Workshops, in denen wir insbesondere noch mal das Thema mentale Gesundheit adressieren.

Was denke ich schon sehr gut klappt ist, dass wir eine Gruppe kreieren, die sich gegenseitig inspiriert und ein Netzwerk geschaffen haben, von dem die Gründer:innen stark profitieren. Was denke ich noch wünschenswert wäre, ist dass wir auch eine finanzielle Förderung anbieten können. Zudem gibt es natürlich auch inhaltlich immer etwas anzupassen. Zum Beispiel in diesem Jahr möchten wir das Thema Markteintritt noch mehr in den Fokus rücken.

Worauf fokussiert ihr euch bei der Gründungsberatung und auf was für Hindernisse trefft ihr?
Frederic: In der Gründungsberatung geht es für mich ganz zentral darum zu gucken: Was ist die grundlegende Motivation von jemandem und was für ein Problem möchte die Person lösen. Wir fokussieren dann erstmal den Problemraum und das Zielgruppenverständnis bevor wir in die Ideenentwicklung und -validierung einsteigen. Das größte Hindernis bleibt meiner Meinung nach die Finanzierung von Sozialunternehmen, da sie häufig einen Wettbewerbsnachteil haben.

Welche ist die wirksamste sozialunternehmerische Gründung, die du bisher begleitet hast?
Frederic: Die Frage nach der wirksamsten Gründungsidee ist gar nicht so leicht zu beantworten. Aus der Forschung wissen wir, dass Wirkungen meistens erst nach mehreren Jahren erzielt werden, insbesondere auf gesellschaftlicher Ebene. Da es unseren Inkubator erst seit drei Jahren gibt, würde ich sagen, hat noch kein Startup eine wirklich große Wirkung erzielt. Wenn ich aber eins mit großem Wirkungspotenzial aussuchen würde, wäre dies eine Community Supported Transformation Agency, die wir im letzten Jahr unterstützt haben. Ich glaube hier ist das Wirkungspotenzial riesig, da sie das klassische Geschäftsmodell der Beratung neu denken und gemeinschaftsorientiert aufstellen. Hier bin ich besonders gespannt, welche Wirkung sie in den nächsten Jahren haben werden.

Apropos Wirkung: Was bedeutet Wirkung für dich und wie kann sie aussehen?
Frederic: Wirkung bedeutet für mich, dass sich etwas verändert in der Zielgruppe, der Umwelt oder in der Gesellschaft als Ganzes. Veränderung sehe ich dabei als ein Resultat einer Handlung, was über das hinausgeht, was sowieso passiert wäre. Jetzt gibt es eine ganze Reihe an Veränderungen und in der Forschung und in Sozialunternehmen allgemein interessiert uns meistens die Veränderung im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung. Hier kann man sich an den SDGs, den Sustainable Development Goals, orientieren. Ich finde die Donut Ökonomie mit dem planetaren und den sozialen Grenzen noch inspirierender und orientiere mich gerne daran. Die Unterscheidung zwischen Zielgruppenwirkung und gesellschaftlicher Wirkung lässt sich zudem sehr gut mit dem IOOI-Modell auch bekannt als Wirkungslogik oder Theory of Change abbilden. Das erste I steht für die Inputs, das heißt die Ressourcen, die ein Sozialunternehmen benötigt. Das erste O steht für die Outputs, das heißt die Aktivitäten, die wirklich durchgeführt werden. Und erst ab dem zweiten O, den Outcomes, das heißt der Wirkung auf Zielgruppenebene, spricht man wirklich von Wirkung. Das letzte I steht für Impact und beschreibt die Wirkungen auf gesellschaftlicher Ebene.

Danke dir für das interessante Gespräch!

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