6.7.2022 - Anne-Katrin Wehrmann

Online-Hofladen leicht gemacht

Social Entrepreneurship

Start-up Friedhold unterstützt Landwirte bei der Direktvermarktung

Moritz und Carl Armbrust auf einer Kuhweide
Die Brüder Moritz und Carl Armbrust (v. l. n. r.) stecken hinter dem Erfolg von Friedhold. © vertigoimageproduction

Viele Landwirte würden ihre Produkte gerne direkt vermarkten – scheuen aber vor dem Aufwand zurück, einen eigenen Onlineshop aufzubauen. Die Brüder Carl und Moritz Armbrust haben mit ihrem Start-up Friedhold eine smarte Lösung entwickelt. Für ihr digitales Verkaufstool sind sie beim Bremer Gründungspreis 2022 mit dem Sonderpreis ausgezeichnet worden.

Diese Geschichte fängt mit einer Geburtstagsfeier an. Genauer gesagt: mit einem Grillfest auf dem Biohof Henke, der gerade von Milch- auf Viehwirtschaft umgestellt hatte und in die Direktvermarktung einsteigen wollte. Doch so einfach war es nicht, auf analogem Weg ins Geschäft zu kommen. „Da haben wir uns überlegt: Wir müssten einen Onlineshop bauen“, erinnert sich Moritz Armbrust, der an jenem Abend als Gast anwesend war. Zwei Wochen später ging der erste Prototyp online, schon kurz darauf war das erste Rind verkauft. „Wir haben gemerkt, dass das funktioniert und dass es Spaß macht“, sagt der 35-Jährige. „Und dann sind wir richtig eingestiegen.“

Erzeuger:innen verdienen mehr

Zwei Jahre ist es jetzt her, dass Moritz und Carl Armbrust aus dieser Idee heraus ihr Start-up Friedhold gegründet haben. Mittlerweile sind mehr als 300 Landwirt:innen aus ganz Deutschland – und zwei aus Österreich – mit einem eigenen Online-Hofladen dabei, rund ein Drittel von ihnen verkauft regelmäßig. „Von jedem Euro, der im Supermarkt für landwirtschaftliche Produkte ausgegeben wird, kommen nur noch 21 Cent bei den Erzeugern an“, erläutert Carl Armbrust (38). „Seit unserem Go-Live haben die teilnehmenden Landwirt:innen mit unserer Software schon 2,3 Millionen Euro umgesetzt und damit gut 1,8 Millionen Euro mehr verdient, als sie das ohne Direktvermarktung getan hätten.“ Entsprechend positiv seien die Rückmeldungen. Einige würden sogar überlegen, ihre Teilzeitjobs aufzugeben und wieder Vollzeit in die Landwirtschaft einzusteigen: „Wir können tatsächlich etwas verändern und helfen, das rührt und begeistert mich.“

Eine Hand hält ein Smartphone mit der App
Dank dem digitalen Verkaufstool von Friedhold können Landwirt:innen ihre Ware direkt im eigenen Onlineshop vermarkten. © unsplash

Mit ein paar Klicks zum eigenen Onlineshop

Das Versprechen der beiden Brüder: Das Einrichten des eigenen Onlineshops dauert nur wenige Minuten – und gezahlt wird erst, wenn etwas verkauft ist. Fünf Prozent des Umsatzes im klassischen Modell, zehn Prozent im erweiterten Modell inklusive des Bespielens der gängigen Social-Media-Kanäle. „Wir empfehlen den Landwirten, dass sie eine eigene Domain nutzen“, sagt Moritz Armbrust. „Und wir schulen sie auch, wie sie mittels Online-Marketing neue regionale Kunden finden.“ Unter anderem bieten die beiden jeden Monat kostenlose Online-Seminare an, an denen bisher schon mehr als 600 Interessierte teilgenommen haben.

Vom großen Bruder gelernt

Beim Entwickeln ihres Start-ups kommen den in Visselhövede geborenen Gründern ihre beruflichen Erfahrungen der vergangenen Jahre zugute. Carl hat Software-Engineering in Konstanz studiert, Moritz International Business and Management in Groningen. Als die beiden 2012 fertig waren, heuerten sie zunächst beim Bremer Start-up traum-ferienwohnungen.de an, das ihr älterer Bruder Nicolaj Armbrust mitgegründet hatte. „Nico hat schon mit 17 programmiert und Websites gebaut, der war immer ein Vorbild für uns und hat uns mit reingezogen in diese Tech-Blase“, erzählt Moritz. „Für Carl und mich war darum immer klar, dass wir irgendwann auch etwas zusammen schaffen wollen.“ Nachdem sie im Unternehmen des großen Bruders gelernt hatten, was sie brauchten, gingen sie zunächst wieder getrennte Wege und starteten verschiedene eigene Software-Projekte: „Dabei durften wir viele Fehler machen, die uns jetzt bei Friedhold helfen.“

Vom Opa inspiriert

Namensgeber des Unternehmens ist Friedhold Bressel, der Großvater der Brüder. Auf ihrer Website schreiben sie: „Wir sind zwar Sesselpupser und Nerds, aber wir kommen auch vom Land und unser Opa war Landwirt.“ Und darüber hinaus war er ein kreativer Kopf, der immer wieder neue Ideen entwickelte, um sich die Arbeit zu erleichtern.  „Das hat uns schon als Kinder inspiriert“, berichtet Carl. Mit friedhold.de schließt sich somit für die beiden ein Kreis. „Aber klar ist: Wir sind Software-Entwickler und keine Landwirte, darum brauchen wir deren fachlichen Input“, betont der 38-Jährige. So seien in den ersten beiden Monaten, als aus den Prototypen ein fertiges Produkt geworden sei, acht Landwirte fest mit im Boot gewesen und hätten wertvolle Tipps geliefert. „Und auch jetzt bekommen wir noch regelmäßig Hinweise, wie sich die Prozesse optimieren lassen.“

Moritz Armbrust bespricht sich mit einem Landwirt auf dem Feld
Die Brüder Armbrust arbeiten eng mit Landwirt:innen zusammen, um immer besser auf die Bedürfnisse ihrer Zielgruppe eingehen zu können. © vertigoimageproduction

„Wir vertrauen uns blind“

Dass sie sich seit ihrer Geburt kennen, hat für die beiden beim Aufbau ihres Geschäfts viele Vorteile. „Als Brüder hat man eine gewisse Widerstandsfähigkeit, weil man schon viel miteinander durchgemacht hat“, meint Carl. „Da weiß man, wie man miteinander reden kann – und manchmal auch muss. Man streitet sich, aber man verträgt sich auch wieder.“ Und Moritz ergänzt: „Wir vertrauen uns blind, das ist bei grundlegenden Dingen enorm wichtig.“ Und auch bei ihren Zielen sind sich die Brüder einig: 1.000 aktive Landwirte in den kommenden fünf Jahren, so lautet die konkrete Zielmarke. „Wir wollen wachsen, Prozesse optimieren und irgendwann unseren eigenen Lieferdienst haben“, meint der 35-Jährige. Wichtig sei ihnen von Anfang an gewesen, dass die Landwirte unabhängig bleiben und tatsächlich ihre eigenen Online-Hofläden betreiben können. Das unterscheide Friedhold letztlich auch von anderen Anbietern, die einen virtuellen Marktplatz aufbauten: „Da entsteht dann schnell eine Marktmacht, ohne die das System nicht mehr funktioniert, und diese Abhängigkeit wollten wir vermeiden.“

Unterstützung durch das Starthaus Bremen

Unterstützung erhielten Carl und Moritz Armbrust in der Gründungsphase durch das Starthaus Bremen, das sie und ihre beiden schon früh eingestellten Mitarbeiterinnen im Rahmen eines Sales-Workshops in Vertriebsdingen schulte. „Dadurch haben wir ein viel besseres Verständnis für Sales-Themen entwickelt“, berichtet Moritz. „Unter anderem haben wir einen Leitfaden für Verkaufsgespräche entwickelt und konnten alles sehr strukturiert aufbauen.“ Das Preisgeld für den Bremer Gründerpreis wollen die beiden direkt in den Vertrieb und in die Vermarktung investieren. „Dadurch bekommen wir eine größere Reichweite, und dadurch letztlich mehr Landwirte – das zahlt direkt auf das Wachstum ein“, freut sich der 35-Jährige.

Fokus ist King

Für andere Gründungswillige hat Carl Armbrust den Tipp, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Sein Motto: Fokus ist King. „Man neigt oft dazu, zu viel machen zu wollen“, erläutert er. Dabei gerate häufig in Vergessenheit, dass es vielleicht schon einen Kern gebe, der gut funktioniere. „Wer alles machen will, schafft am Ende nichts. Darum sollte jedes Start-up herausfinden, was der Kern ist, um den es gehen soll.“ Abgesehen davon sei es wichtig, einen persönlichen Ausgleich zur Arbeit zu haben, fügt Moritz Armbrust hinzu. „Ein Start-up ist kein Sprint, sondern ein Marathon“, macht er deutlich. „Wer 60 oder 70 Stunden die Woche arbeitet, geht schnell kaputt. Darum ist es entscheidend, gut für sich zu sorgen.“

An einer Gründung interessiert? Schreibt uns gern eine Mail an info@starthaus-bremen.de oder ruft uns unter +49 (0)421 9600 372 an, wenn ihr Fragen zu eurer Gründung(sidee) habt. Wir haben die Antworten.

Erfolgsgeschichten


Erfolgsgeschichten
13.03.2024
Prävention statt Intervention in Unternehmen

Mit der „Fabrik der Gesundheit“ hat Özden Ohlsen ein großes Ziel: Sie will das betriebliche Gesundheitsmanagement transformieren. Mitarbeitende sollen leichten Zugang zu verschiedenen Ärzten, Trainer:innen und Therapeut:innen bekommen, damit Arbeitszeit zu erfüllender Lebenszeit wird. Raus aus dem Burnout – hin zur Selbstwirksamkeit und Selbstverantwortung der eigenen Gesundheit.

Zum Artikel
Social Entrepreneurship
05.03.2024
„Sozialunternehmen sind die Unternehmensform der Zukunft“

Sowohl praktisch als auch theoretisch: Frederic arbeitet als Gründungsberater in einem Impact Inkubator, den er selbst aufgebaut hat, und forscht im Zuge seiner Promotion zum Thema Wirkungsskalierung im Impact Entrepreneurship. Wie er eine gute Verknüpfung schafft und wo er noch Verbesserungspotenzial in der Gründungsbegleitung für Sozialunternehmer:innen sieht, erzählt er uns im Interview.

Zum Interview
Erfolgsgeschichten aus dem Netzwerk
27.02.2024
Meike Bechikh schwimmt auf der „Druckwelle“

Im Alter von 54 Jahren wagt Meike Bechikh mutig den Sprung vom Angestelltendasein in die Selbständigkeit. Im Juni 2023 hat sie das Fotolabor und Fotostudio DruckWelle in der Grashoffstraße 12 übernommen. Ein Schritt, der sich aus ihrer Sicht schon jetzt gelohnt hat: Sie fühlt sich wohl und zufrieden, wie nie zuvor in ihrem Berufsleben.

Zum Artikel bei der BIS Bremerhaven